Mittwoch, 17. Dezember 2014

Eine verbesserte Wirklichkeit als Möglichkeit



Das letzte farce vivendi open mic 2014 bildete quantitativ wie qualitativ einen sehr würdigen Jahresabschluss. Mit 15 Auftretenden (sehr abwechslungsreiche 11 literarische und 4 musikalische Darbietungen) – das eisbrechende Moderationsduo nicht miteingerechnet – gab es die höchste Teilnehmendenzahl seit über zwei Jahren.

Entgegen der ursprünglichen Planung kam als Veranstaltungsort statt des Spektakel kurzfristig doch wieder einmal der Celeste-Jazzkeller an die Reihe.

[Zur Info bezüglich Location: Grundsätzlich sollte es 2015 beim Spektakel bleiben. Im Fall technischer Probleme etc. ist es aber im Notfall sehr praktisch bzw. ein großes Glück, anstatt die Veranstaltung absagen zu müssen, nur zwei Häuser weiter einen (binnen nicht einmal einer Gehminute erreichbaren) Alternativort zur Verfügung zu haben – wenngleich solche technischen Notfälle wie diesmal 2015 wesentlich unwahrscheinlicher werden dürften, da das Spektakel in ein paar Wochen nach langer Pause endlich wieder den Vollbetrieb aufnehmen wird]

Nun aber zum Geschehen dieses letzten fv open mic 2014:


Im Anfang war die geworfene Münze. Sie wies ANDI PIANKA den eisbrechenden Weg zum Mikro. Er „warb“ in seinem kritischen Text (ausgehend vom Zitat eines ehemaligen deutschen Bundespräsidenten bei einem Afrika-Besuch) für die hiesige Gastfreundschaft. Ob der Luxus im 5-Sterne-Kurort Traiskirchen, das temperamentvolle Agieren der Polizei oder der Vorteil des nicht arbeiten Müssens – unserem Gästekonglomerat soll es an nichts mangeln.

Als Startnummer 1 wurde JAZMIN DEL CAMPO gezogen. Einem „Aufwärmtext“, der sich sprachspielerisch mit der Frage „Wer bist du?“ beschäftigte, folgte ein vom „kleinen Ich-bin-Ich“ inspirierter über innere Zwiegespräche. Nein? Ja? Schreib einmal! Und (nach einem  Umdrehen der Seite): „Die Wörter haben auch einen Wortlaut“. Schließlich melden sich auch noch Gehirn, Füße, Popo zu Wort. Im letzten Text ging es dann um das Wollen des Wollens.

Zwar schon bühnenerfahren, aber erstmals beim fv open mic trat (samt Gesang und Gitarre) JULIA SANTINI auf. Ihr Song „Overpower Me“, handelte vom (wieder) alleine sein („Now I’m sitting here again alone“), Sehnsüchten und einem brennenden Feuer: Touch me, give me a fire please! Denn: I’m sick of be sick. Und deswegen: Burn me down! Und anstatt einer gewünschten Zugabe gab es ihre Ankündigung, bald zum fv open mic wiederzukommen.

Auch PAVEL feierte seine fv-open-mic-Premiere. Einem Gedicht über Umkehr und Heimkehr auf grauer See folgte eine dunkle Verführung in zarter Dunkelheit. Im dritten (einem persönlichen) Gedicht legte er seinen Kopf an ihren warmen Busen. Doch nach dem Aufwachen war die Geliebte fort und im Spiegel sah er einen 100jährigen mit Todesmaske. Und um nicht allzu depressiv zu enden, folgte noch ein viertes Gedicht über die Leichtigkeit.

Die Debütanten-Serie setzte XILI fort, der ohne Sinn, mit viel Spaß, nicht ohne Plan verplant ist. Er meinte, Frieden (und nicht Krieg) wäre in jedem, dadurch ließen sich Mauern fallen. Wichtig wäre es, positiv zu formulieren: (auch wenn es nicht am Textblatt stand) Ja! Ja! Ja! Was sonst noch vorkam: Ein Kuli im richtigen Augenblick zum Schreiben, die (wenn Bildung Freiheit ist) Ausbildung als Ausfreiheit und ein Märchen („Es war einmal ein Energiefunke“).

Nicht zum ersten Mal dabei war wALTEREGOn mit Gitarre und zwei Liedern. Das erste handelte vom Loslassen, verbildlicht durch ein Schiff, das seinen Hafen verlässt: Komm, wir fahren raus – um mit den Ungeheuern einen Joint zu rauchen. Das zweite, ein Liebeslied, widmete er dem Christkind. Es ging (Zucker drüber streuend) um den (Beweg)Grund für die Veränderung zwischen früher und jetzt: Weil der Teil, der dich erkennt, in mir noch schlief.

THOMAS MAYER (ausnahmsweise nicht als Erster gezogen) stellte sich in seinem ersten Beitrag den an seiner Tür läutenden Zeugen Jehovas als Gott vor. Warum solle er also mit ihnen über sich nachdenken, wo er doch die Welt erschuf: „Was, ihr zweifelt an mir?“ Im zweiten Text begann der Lurch zu sprechen, worauf der Autor ihn und das Spinnennetz über seinem Bett mit dem Besen wegfegte. Und Text Nr.3 erzählte vom schüchternen neuen Jahr.

Als letzter vor der Pause kam WOLF MORRISON samt Keyboard und dem berühmten Doctor Mouse auf die Bühne. Es wurde weihnachtlich: Zusammen mit seiner ersten Liebe, die ihm (als er 14 war) die Tür im Pyjama öffnete, schmückte er erst den Christbaum, dann hörten sie gemeinsam im Radio Weihnachtslieder. Auf diesen eigenen englischsprachigen Song folgte noch eine Instrumentalversion des Klassikers „Joy to the World“ und dann die Pause...


...nach der es mit dem zweiten Brechen des Eises, also mit MELAMAR weiterging. Auf einen älteren Text mit dem Titel „Wendezeit“, in dem ein von einer Kakerlake heimgesuchter DJ aufgefordert wird, doch mehr Vinyl aufzulegen, folgten viele kurze neue, von denen sie einige eigens zu Bildern des Malers Kan-Boris Kamhi schrieb – u.a. über das Muss des Berufenen, das ihn zum inneren Lachen führt, oder über die Lebendigkeit der Farbe Rot.

Vier Gedichte brachte GERHARD mit: Zeitalter des Herzens (handelte von einer zukünftigen besseren Zeit), Ode an die Traurigkeit („Ich werd dich nicht vermissen (...) Ohne sie lebt man befreiter“), Ich bin gegen (nämlich u.a. gegen nicht hilfreiche Ideale, die verraten werden, gegen Konzerne, Konkurrenz, Kostenwahn, aber für die Unterstützung) sowie Wurm im Sturm (über existenzielle Probleme des Regenwurmes im Schnabel einer Amsel). So wie er...

...war auch ALEPH das erste Mal dabei. An die Existenz knüpfte sie gleich an, nämlich die des Kreises, der sie nicht verneint. Ein sich ausdehnender trostloser Augenblick, in dem das Gewebe zerrissen bleibt, doch das Fleisch wieder warm wird, war Thema ihres zweiten Gedichts. Im dritten verfestigte sich das Gewirr („Der Griff erstreckt sich in die Weiten, die ich nicht ergreifen kann“), bis dann im letzten Text im zeitleeren Raum der Traum zerbrach.

ANGELA setzte sich in einem (von Xavier Naidoo und Curse inspirierten) Text mit der Frage auseinander, ob sie schon Kinder hätte. Das wüsste sie auch gern. Denn sie wurden ihr noch vor deren Zeugung von Wissenschaftlern geraubt und verkauft –> „Jetzt steh ich allein“. Diesem folgte ein Text über ihre Erfahrungen als 7 Tage in der Woche suchender Websingle: Aus 20 und schick wurde 40 und dick. Erkenntnis: Hier gibt’s Singles, die nicht solo sind.

Sechste fv-open-mic-Debütantin des Abends (kommt auch nicht alle Tage vor) war TIA, die überhaupt ihre „allererste Premiere“ auf der Bühne und den kürzesten Auftritt des Abends hatte. Aus ihrer 10-Punkte-Liste mit Dingen, die man im Leben tun sollte, ließ sie das Publikum (vorläufig, aber wir hoffen, sie kommt wieder) nur am ersten teilhaben – ein „I love you“, ergänzt um wichtige Dinge im Leben (z.B.: sharing is gold... make a gift... take care...).

In Glitzer fragte MICHAELA HINTERLEITNER, ob sie politisch oder romantisch werden soll – das Publikum wollte beides. Im politischen Teil ging es um Wachsamkeit: Dem nachspüren, was vorkommt. Die Augen, die trauen ihren Augen nicht.Wir haben nicht genug hingesehen auf das Kommende, das Verkommende. Nach einem würmlerischen Wiedergeburt-Text wurde sie schließlich nicht romantisch: Bitte berühr mich nicht, aber pack mich!

Ein Stammgast auf fv-open-mic-Bühnen ist (ob musikalisch, literarisch oder kabarettistisch) schon seit Jahren STEFAN PETER. Diesmal ging es – passend zur Jahreszeit – um eine  Adventfeier in einem oberösterreichisches Altersheim, zu welcher der Zivi Kekse mit (THC-haltiger) „Spezialwürz’n“ mitbringt, worauf die dort wohnenden älteren Damen (u.a. „die oide Liesl“ oder die Herta) völlig ausflippen. „Selten so einen spasserten Adventdienst erlebt“.

„Endlich“ kam auch GEORG HARLEKIN dran, mit neuen Gedichten (aber, wie üblich, deren drei an der Zahl). Eine verbesserte Wirklichkeit als Möglichkeit mit Reset und Neustart bildete den Anfang. Es folgte die Frage: Wer ist Emo? „Sie!“, war die Antwort, mit ihrem vollen Namen die auf Orgelpfeifen spielende Emotion (Emo = Energie, Motivation, OM). Auch das letzte Gedicht begann mit einer Frage: Was täten wir Männer ohne euch Frauen?

Der Abschluss und Ausklang des Abends war ein musikalischer. RAFAEL spielte ein Lied für seinen kranken Cousin: Tee. Mogst no an Tee trinken? Ganz krank liegt er da auf der Couch. Mit an bisschen an Honig? Schmelzen tut er. Magst a paar Vitamine? Das zweite, improvisierte Lied war dann eines „für die Traudl“, die Sonne in seinem Herzen, mit der er überall hin möchte, sogar ins Theater. Selbst in der legendären REM-Phase sieht er sie.


Nun war es vorbei, das letzte farce vivendi open mic des Jahres 2014. Ein Abend, der nicht nur künstlerisch sehenswert war, sondern auch gleich im praktischen Alltag Georg Harlekins Worte von der verbessserten Wirklichkeit als Möglichkeit umsetzte und eine scheinbar nicht vorhandene Barrierefreiheit für einen Besucher mit vereinten Kräften in eine vorhandene umwandeln konnte.

Ein Dank an dieser Stelle an Das Fröhliche Wohnzimmer, das uns Bücher aus seiner Edition zur Verfügung stellte, von welchen (wie schon im November) alle Auftretenden jeweils eines mit nach Hause nehmen konnten, als zweite Belohnung neben dem üblichen Freigetränk.

Eine kurze Statistik zum Jahresausklang: Bei den 10 fv open mics des Jahres 2014 sahen wir insgesamt 109 Auftritte (also im Schnitt 10,9 pro Abend) von 53 verschiedenen KünstlerInnen (bzw. inklusive des Moderationsduos lauten die diesbezüglichen Zahlen 129 und 55). 


Mit hoher Wahrscheinlichkeit sehen wir uns am 20. Jänner 2015 wieder. Da dieser Termin aber noch nicht fix bestätigt ist (sollte allerdings innerhalb der nächsten paar Tage passieren), wollen wir ihn auch noch nicht offiziell verkünden. Einfach nach Weihnachten mal wieder in unseren Blog reinschauen bzw. bekommen alle, die auf unseren Mailinglisten stehen, natürlich dann im Jänner die Info auch per Mail. Bis dahin...

...auf ein kreatives 2015!






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