Der 17. Dezember 2013 war ein historischer Tag, an dem vom
Morgen bis zum Abend das Niveau der Veranstaltungen sukzessive anstieg:
Es
begann in der Früh mit der Regierungserklärung von Werner Faymann im
österreichischen Nationalrat.
Es folgten zu Mittag Wiederwahl und Angelobung
von Angela Merkel in Berlin.
Am späten Nachmittag demonstrieten am Wiener Minoritenplatz
(von einem ca. halbstündigen Gig der großartigen Yasmo begleitet) in Eiseskälte
ca. 10.000 Menschen für den Erhalt des Wissenschaftsministeriums.
Doch der
wahre geistige Höhepunkt dieses ereignisreichen Tages folgte erst am Abend,
nämlich das 38. farce vivendi open mic im CELESTE.
Der schon traditionelle Münzwurf machte, da Johann Nepomuk Eduard Ambrosius Nestroy auf der Rückseite der 20-Schilling(!)-Münze nicht mit dem Kopf
nach oben landen wollte, - wie üblich – ANDI PIANKA zum ersten
Eisbrecher. Er beschäftigte sich aus aktuellem Anlaß mit der auf Forschung und
Lehre nun folgenden Verorschung und Leere, las danach ein Uralt-Gedicht über
kalte Füße, die im Unterschied zu Legebatterien Gefühle haben, sowie eine
Nicht-Hommage an Ex-Ministerin und Neo-Kultursprecherin „Bloody Mary“. Den Rest
des Abends beschränkte er sich auf ein (fettnäpfchenreiches) co-moderieren. Es
konnte somit losgehen:
Zum zweiten Mal beim fv open mic sahen wir WALTER EGON,
der mit dem Leonard-Cohen-Klassiker „Hallelujah“ einen prominenten Auftakt der
sehr musikreichen ersten Hälfte des Abends bildete. An diesen schloß er einen
eigenen Song mit dem Titel „Du bist der Grund“ an, in dem es um ein vielfaches
„Warum?“ ging. Du bist der Grund, auf dem/den ich geh, du bist der Grund, auf
dem/den ich steh. Auch andere Gründe wie der Beweggrund und der Abgrund wurden
in diesem Lied besungen.
Von GEORG HARLEKIN gab es – schon traditionell –
wieder ein lyrisches Triptychon zu hören. Diesmal ging es zuerst um eine
schicksalshafte Liebesnacht, in der eine Eule (die Weisheit) vorbeifliegt.
Duftender Jasmin war auch ihr Name, doch am Ende war alles zerronnen,
verschwommen und dann verschwunden. Das zweite Gedicht handelte von einer
Spurensuche im Schnee an der Weggabelung zum steinernen Schloß – Sehnsucht.
Doch das Tor war verschlossen. Im letzten Text hieß es „Matt statt satt“. Die
Verdammnis schreit schrill. Wo ist nur der Ausgang?
Erstmals beim fv open mic trat als – wie auch alle anderen
von einer Glücksfee aus dem Publikum geloste – Startnummer 3 MIKE mit
seiner Gitarre auf. In seinem englischsprachigen Lied sang er über den „sick
planet“, auf dem es nur „laws and orders“ sowie „just pollution“ gibt. Es liegt
an den Menschen und es ist machbar, das zu ändern, denn „there’s a reason for
live in peace“. Diesem ersten Song mit Musik und Text folgte ein zweites, rein
instrumentelles Stück.
Nach längerer Pause wieder mit dabei war RONALD JAVUREK,
der zum Märchen von dem Myrtenfräulein von Clemens Brentano (in dem es um einen
Töpfer und seine Frau geht, die sich ein Kind wünschen) eine Fortsetzung
schrieb. Der Töpfer war ein gläubiger Mann, der betete, seine Frau hingegen
„pragmatischer Natur“. Dann kam ein Bote aus der porzellanenen Hauptstadt, der
von der baldigen Ankunft des Königs berichtete. So schön funkelten die Bäuche
der Krüge dem König entgegen. Und nach einer neu entbrannten Liebe zwischen den
Körpern des Töpferpaares erkannte die Frau, als sie den König sah, daß sie
schwanger geworden war.
Für den Schlußpunkt der ersten Hälfte sorgte einer unserer
langjährigen Stammgäste, nämlich WOLF MORRISON mit wieder einmal einer
musikalisch Darbietung: Die Weihnachtslieder im Radio – ein zweisprachiger
deutsch-englischer Song über den Tag vor Weihnachten. I war erst 14 und sie war
mei erste große Liebe. Wir hab’n g’redt und wir hab’n gelacht. Es waren die
schensten Weihnachten. Von der Vergangenheit ging es im zweiten Lied in den
Konjunktiv: Waun du mei Freindin warst. Doch die ist in festen Händen...
Fest in die Hände geklatscht wurde allen Auftretenden, zwischendurch
gab es die wohlverdiente Pause, die von MIKE musikalisch untermalt wurde.
Darüber, ob die EisbrecherInnen zu den regulären
Teilnehmenden des Open Mics zählen, waren sich die beiden MC’s des Abends nicht
einig, sehr wohl aber darüber, daß MELAMAR logischerweise die zweiten
Hälfte beginnen sollte. Schaltet die Zikaden stumm – hieß der Titel ihres in
einer von Fritz Widhalm herausgegebenen Anthologie erschienenen Textes.
Irgendwo bellt ein Hund und nördlich verblutet der Himmel. Der Gesang der
Nachtigall ertönt in Dolby Surround. Weit unten mäandert ein Fluß – das muß
Europa sein, wo man Sturzhelm trägt.
JOHNNY GANGSTER kann zwar klingonisch, las aber
dennoch – von MIKE auf der Gitarre begleitet – auf deutsch, nämlich aus der
Vereinszeitung eines nicht existierenden Vereines. Im ersten Text baute Meister
Eder ein Raumschiff, denn die ganze Welt ist nur eine Attrappe. Alles bloß
Sperrholz, da muß man den Planeten wechseln, zum Saturn, wo man in die
innersten Kreise Zugang findet und von dem man zur Erde eine Postkarte mit der
Bitte um Geld schickt. Die Leute spenden auch, denn „für irgendwas wird die
Sache gut sein“. Im zweiten Text versprach die Partei des gemäßigten
Fortschritts jedem Wähler ein Taschenaquarium. Es folgten schließlich noch ein
paar Kürzesttexte. So wie er....
....war auch ULRIKE AYODELE MEINECKE erstmals beim fv
open mic zugegen. Sie trug auswendig einen Ausschnitt aus ihrem Buch
„Auferstehung des Phönix“ vor, in dem es um eine Botschaft des Phönix an die
Menschen geht. Die Passage war ein Dialog zwischen dem Phönix, der das
Schöpfungsmuster falsch gelenkt sieht, und dem Menschen, der halb Mensch, halb
Tier ist und um Auferstehung im Schatten seiner selbst bittet. Der Phönix
fordert, erneut den Pfad zu beginnen und kreidet die Blindheit der Menschen an,
während der Mensch von sich als Wahrheitssuchenden spricht, der Angst um sein
Leben hat. Wo beginnt mein Sein? Ist es der selbstgeponnene Faden? Der Phönix
schließt mit den Worten: Unsterblichkeit bringt nur Kinderhand.
Die(!) vorletzte Auftretende des Abends war KURT, die
in einem rasanten Tempo (der Autor dieser Zeilen tat sich mit dem
Mitschreiben nicht einfach, aber gut er selber ist ja auch ein Schnellleser)
die Gedankenabfolge eines (Selbst-? Anm.d.Red.: Vermutung des Autors dieser
Zeilen)Gesprächs vortrug: Das war eine Aufgabe. Steh auf, wo ist der Honig?
Lauf nicht so schnell! Gib her, das ist meins! Was wolltest du finden? Du hast
ein anderes Motiv. Kommst du? Warte, Herz, ich komm mit. Ich inzestiere, das
ist ein Test. Das bist du. Das will ich nicht, das hab ich schon.
Wie auch die erste, so endete auch die zweite Hälfte mit
einem unserer langjährigsten Stammgäste, nämlich STEFAN PETER, der einen
Auszug aus einem längeren Kabarettprogramm brachte. Swami Durcheinanda, ein
72jähriger deutscher Zahnprothesenträger, der im Ashram zum Guru wurde,
bereitet sich auf Weihnachten vor. Denn Weihnachten wird eben gefeiert.
Tannenbaum ist aber out, weil nicht authentisch. Und den Esel in der Krippe
spielt ein ehemaliger US-Präsident. Was fehlt, ist ein stimmiges Lied: Hinter
mir die Sintflut. Somewhere over the rainbow... Ein oberbairischer Adventdialog
(Autor: Gerhard Polt) zwischen einer Reporterin und einem Bauern bildete den
Abschluß des Abends.
Somit verabschiedet sich das farce vivendi open mic vom Jahr
2013, wünscht eine schöne Feiertagszeit und freut sich, euch alle in neuer
Frische am 21.Jänner 2014 wiederzusehen – am selben Ort, aber mit neuer
Beginnzeit: Ab Jänner fangen wir bereits um 20:00 an, Einlaßzeit bleibt 19:30.