Mittwoch, 22. April 2015

Aller guten Dinge sind 16



Aller guten Dinge sind 16 – so scheint jedenfalls derzeit das Motto des farce vivendi open mic zu lauten. Denn zum nunmehr dritten Mal in Folge hatten wir exakt 16 Auftritte (exklusive der beiden EisbrecherInnen), diesmal allerdings in Form von insgesamt 17 auftretenden Personen (die Auflösung dieses Paradoxons folgt erst am Ende dieses Berichtes, also werdet ihr ihn hoffentlich zur Gänze fertig lesen ;-))

Zuerst sprach wieder mal die Münze, diesmal eine vatikanische 50-Cent-Münze, die statt auf Zahl auf Papst fiel und somit ANDI PIANKA zum ersten Eisbrecher machte. Dieser hielt (aus gegebenem Anlass) eine bürgermeisterliche Ansprache („also 22 Spritzer für mich und 66 Wochenstunden für die Lehrer, damit sie wenigstens ein Drittel meiner Arbeitsleistung erfüllen, denn bloß ein Vierterl ist bis Dienstag Mittag an Leistung viel zu wenig“).

Als Startnummer 1 wurde (nicht zum ersten Mal) THOMAS MAYER gelost. Er hat’s nicht so mit dem Frühling, deshalb las er einen bluesigen „Frühlingsbeginn ohne Sinn“ vor. Der letzte Schnee verschwindet...Nur die Kälte in manchen Herzen bleibt standhaft. Nur Herzen, die in Tunneln wohnen, wissen nicht, was es heißt, sich auch mal zu belohnen. Verletztes Ego, gebrochenes Herz, für sie ist Dezember, Jänner, Februar und nicht Ende März.

Nicht das erste Mal dabei, aber das erste Mal unter seinem eigentlichen Künstlernamen angekündigt war RAFA EL AFAR, der nebst Gitarre auch einen Verstärker mitbrachte und ein „namensloses“ (Liebes-)Lied darbot: Oh my baby, take my hand and fly with me. Baby girl, you understand me. Come and swim with me. Neben diesen und noch vielen anderen Worten enthielt das Lied auch Laute, die hier schwer schriftlich wiederzugeben sind ;-)

GEORG HARLEKIN, unser Maestro des Triptychon, begann zur Einleitung mit einem Gong und setzte danach mit Gedicht #1 (Du schöner Geist, welcher Creation heißt...wir Endlichen spüren unser Gewicht...), Gedicht #2 (Die Garben der Narben: Ich will leben, mich freuen...ausgetrocknet sind die Flüsse...ohne Abschied bist du gegangen...) sowie Gedicht #3, einer „Mischung“ (...glaubte den Schlüssel verloren, trage ihn in meiner Tasche...), fort.

FRANZISKA SCHERZ las einen Text über einen Journalisten, der sich gerade in Urlaub befindet – auf einer griechischen Insel, wo er in einem idyllischen Ort einen Ausblick auf das weite, weite Meer hat (wobei er an Stränden nicht interessiert ist) und dort an seiner Familiengeschichte schreibt: über die Omama, über den Vater (einen Rom), über die Mutter, die ihn verließ, als er 4 war, über seine Schul- und Schulschwänzzeit.

LORE MURBACHER fand es im Raum „so gemütlich finster“ und fing mit einer Beziehungsgeschichte an. Diese Liebe hat ein Ablaufdatum, deswegen schlagt zu! Himbeerrote Liebe pur...Ka Bedrängnis, ka Gefängnis. Dieser Geschichte folgten noch einige Kurztexte, u.a. über das Glas schönster Erinnerungen, das voll gemacht gehört. Oder: dreimal, zweimal, einmal – alles ist besser als keinmal. Und: besser ein scharfer Schnitt!

Danach traten WOLF MORRISON und sein Keyboard in Erscheinung. Sein erstes Lied war eines, das eigentlich keine Frau zu hören bekommen möchte: Du bist wia a Kaktus. Du bist so spröde und so unnahbar. Kaktus in der Wüste, der grad blüht. Im zweiten Lied erklärte er sich zum Kaiser von Österreich: I regier nur für euch...Wenn i g’storbn bin, habt’s a schene Leich’...alle tun nur kuschen und die Wahrheit vertuschen.

MARLIES THUSWALD brachte in ihrer Auftrittszeit viele Kurz- und Kürzesttexte unter. Erst forderte ein Buntspecht: „Sprecht bunt, für weniger eckig und mehr rund!“  Dann rankten sich Bohnenstangen um eine Sandsteinstatue, die die Tauben mit Verdautem bedeckten. Weiters kamen vor: ein Erdbeben in einer spiegelbunten Welt, eine Spielwiese (Du bist so vielfältig, wie einfältig du bist...du ohrenbetäubendes Origami!), ein Kuss, eine Kerze und Wünsche.

COSMUS, der sich nach seinem letzten Auftritt mit dem Gedankentransformator schon verloren und nicht mehr ganz gefunden gefühlt hatte, kam mit einer weiteren seiner Erfindungen auf die Bühne, nämlich dem Persönlichkeitsgenerator, den er großbuchstabig mit „Das ewige Leben ist tot“ vorstellte. Man muss ihn drehen. Sind einige Fehler dabei. Glücklicherweise, sonst wär’s ja perfekt. Und so bin ich gegangen an das Ende, wo der Anfang ist.

Und da auf jedes Ende ein neuer Anfang folgt, war es nun logisch, die erste Hälfte in ein Ende bzw. eine PAUSE überleiten zu lassen, um ca. 20 Minuten später mit der zweiten Hälfte anfangen zu können.

Der Anfang der zweiten Hälfte gehörte dann MELAMAR, der Eisbrecherin #2. Sie begann mit einem von einem Bild inspirierten Gedicht über Magma, den Schoß der Erde. Wieso ist das Wort „Vulkan“ männlich? Phallischer Aspekt? Feuer des Lebens, living moments, moments of joy. Im zweiten Text hatte das schreibende Ich Aussicht auf neue Einsichten. Nach einem Augen- und einem Clown-Text folgte noch ein „möglichst schlechter“ über den Hubschrau-Bär, der auf den Teddy-Bär traf.

Der Text von THOMAS war erst unmittelbar vor der Veranstaltung (zwischen 19 und 20 Uhr) entstanden, als er in einem benachbarten Cafe saß. Ein pferdeschwanziger Kellner, der wirkt, als wolle er nicht beschrieben werden, und zur Postmoderne gehört (sowie womöglich Anführer einer Motorradgang ist), fragt nicht nach Schinkenbrot – er hat es! Doch obwohl er noch „mit Kren?“ gefragt hat, scheint er „unseren Jahrestag“ vergessen zu haben. Komm gleich!

KITTY wollte via Schwarzes Brett an der Hauptuni ihr Italienisch durch eine Tandem-Konversation auffrischen. Daraufhin meldete sich „Mike, 23, suche Deutsch“. Sie verabredeten sich im Audimax-Buffet. Ein schüchterner Mann geht immer wieder suchend hinein und hinaus. Doch wäre es nicht zu rassistisch, ihn zu fragen, ob er Italiener sei? Und die SMS an ihn wird automatisch von „sitze hinten“ auf „sitze hingebungsvoll“ korrigiert, doch zum Glück noch rechtzeitig nicht abgeschickt.

JULIA SANTINI brachte nicht nur eine Gitarre, sondern auch noch eine beeindruckende Singstimme mit. Sie möchte sich in ihrem brennenden Feuer nach “give me your fire” überwältigen lassen: I am waiting for you to come and burn me down, overpower me and spin me around. Just passing time with you under the trees, jumping in extasy, just beeing free. Sowie: I wanna live in my own identity – don’t wanna be a slave.

Auch die Stimme von MARTIN AUER konnte (nämlich ganz ohne Mikro und ohne instrumentale Begleitung) bis in die letzte Reihe überzeugen. Er sang zuerst zwei burgenländisch-kroatische Lieder über den Fabriksalltag um das Jahr 1900 herum (Steh ich auf so frühe, denke ich an meine Mühe, in Hornstein die Fabrik...), beide erst auf kroatisch, dann auf deutsch gesungen. Denen folgte noch ein Südstaaten-Blues aus etwa derselben Zeit.

Erstmals beim fv open mic dabei war I0 (was als I null zu lesen ist). Ein erstes, älteres Gedicht handelte u.a. vom Zurückverlangen verliehener Flügel. In einem zweiten, neueren, sagte er nichts: Und? Was und? Ich habe Angst, mich herzuzeigen. Es ist erst kurz nach halb Nacht. Bei aller Freundschaft...unser Wir steht vor der Tür. Im dritten Text beschrieb er sein Profil, in dem er erfolgreich im erfolglos sein war und kunterbunt brauchte.

ANGELA benötigte zuerst zur Aufwärmung für ihre Texte ein Tänzchen auf der Bühne. Im ersten der beiden Texte ging es um zu viel, um zu sterben, zu wenig, um zu leben. Keiner steht hinter mir und ich daneben. Vor dem zweiten Text meinte sie, ein Techno-Festl hätte ihr das Hirn weggeblasen, doch es wäre danach zurückgekommen. Der Text selber: Dornenreicher Rosenstrauch, du! Man sagt mir nach, ich hätte einen grünen Daumen.

HARRY P echauffierte sich über den Informationsmangel in den Nachrichten. Wenn es heißt, ein rücksichtloser Autofahrer hätte einen dreifachen Familienvater am Weg zur Arbeit getötet, dann fragt man sich, ob es besser gewesen wäre, wenn er einen ledigen Kinderschänder überfahren hätte. Oder ob der Autofahrer selber nicht auch dreifacher Familienvater war. In seinem zweiten Text fragte er sich, wieso mehr Menschen einen Bericht über einen Gorilla im Zoo anklicken als einen über die im Mittelmeer ersoffenen Flüchtlinge.

Last, but not least kam LIORA als letzte Teilnehmerin zu ihrer fv-open-mic-Premiere. In ihren beiden ersten Texten erklärte sie (die sie aus Vorarlberg stammt) ihre Liebe zu den Wiener Innenhöfen. Da ging es um’s Küssen und Husten (nur einmal hat jemand zurückgehustet) und die offenen Fenster als Türen zur Welt (am Balkönchen spüre ich Liebe zu diesen Wesen). Zum dritten Text, einer Liebeserklärung an Norbert Neon („Tannenwipfelessenz als Parfum“), bekam sie tanzende Bühnenunterstützung von CONNY.

Tja, damit wäre auch das Rätsel um die 16 Auftritte und 17 Auftretende gelöst. Einen weiteren potenziellen Auftretenden hätte es auch noch gegeben, doch musste er aufgrund eines plötzlichen Notfalls weg, bevor er gezogen wurde (hoffentlich geht es dem Notfall mittlerweile wieder besser!)

Wir freuen uns über das zuletzt ununterbrochen große Interesse, beim fv open mic aufzutreten. Wir lassen ja auch alle auftreten, die es wollen. Insofern entspringen jeweils 16 Auftritte 3 mal in Folge wirklich einem Zufall und keiner absichtlichen Beschränkung der Auftretendenanzahl.

Und nun warten wir voller Vorfreude etwas länger als sonst auf das nächste fv open mic. Nicht, weil jenes im Mai ausfallen würde, keine Sorge! Sondern wir werden ausnahmsweise vom dritten auf den vierten Dienstag des Monats übersiedeln. Schließlich hätte der dritte Dienstag eine Terminkollision mit einer (wohl in etwa der unseren ähnlich berühmten) Veranstaltung namens Song Contest bedeutet (bzw. dessen erstem Semifinale). Und das können wir euch doch nicht antun, wo er erstmal seit 48 Jahren wieder in Wien stattfindet!
(Naja, der eigentliche Grund für die Verschiebung um eine Woche ist eigentlich ein ganz anderer, der an dieser Stelle nicht verraten wird, weil ja im Hypo-Untersuchungsausschuss auch nicht alles verraten wird, aber die Begründung mit dem Song Contest hat ja dennoch irgendwie eine gewisse Plausibilität, oder?)

Das bedeutet: wir sehen uns erst am 26. Mai wieder, welcher aber, wie gewohnt, ein Dienstag sein wird (außer, es tritt bis dahin eine Kalenderreform in Kraft – aber das steht nicht in unserer Macht...)