Sonntag, 20. Dezember 2015

Adieu

Es war ein imposanter Abschied vom monatlichen farce vivendi open mic im Spektakel mit der unglaublichen Zahl an 21 Auftretenden (inkl. der beiden ModeratorInnen sogar 23, was somit einen
neuen Rekord bedeutet *)), die dennoch nicht zu einer späteren Endzeit als sonst führten (da die 5-Minuten-Zeitempfehlung weitestgehend eingehalten wurde).

*) Für die HistorikerInnen unter euch: Der bisherige Rekord waren 22 Darbietungen seinerzeit (2008) beim 1-Jahres-Jubiläum des fv open mic in der Feile.

Johann Nepomuk Nestroy als Kopf der Orakelmünze wollte es, dass MELAMAR zum Brechen des Eises schritt. Sie las eine gekürzte Fassung des gemeinsam mit Ilse Kilic verfassten Textes "Es zappelt am Rande der Sprache", in dem es um Kindheitserinnerungen ging, die mit Sprache zu tun haben.

GEORG HARLEKIN, der 2015 kein fv open mic ausließ, durfte mit Startnummer 1 ans Mikro. Er blieb seiner Triptychon-Tradition treu und trug drei Gedichte über Wolken, Dank und die Wurzel des Übels vor.

Klassisch gesanglich wurde es daraufhin mit JING, die kraft ihrer Stimme (und ohne Mikro) die Arie "Lascia ch'io pianga" aus der Feder von Georg Friedrich Händel darbot.

Im Text von THOMAS MAYER erzählt eine Person einer anderen Neuigkeiten über Axel, einen im Bad gestürzten MP3-Player- und Shampoo-Junkie, wobei die wichtigste Information erst gegen Ende folgt.

ANNA SCHREMS betrat mit der Vorwarnung, nun die Stimmung zu "dämpfen" die Bühne und brachte einen im oö. Dialekt verfassten Text mit dem Titel "Weihnachtsessen", in dem es um sehr einsame Weihnachten ging.

NADIA BAHA befasste sich in drei Phasen damit, wie es ist, wenn man die Lebensmittel im Kühlschrank ausschließlich in der Reihenfolge des Haltbarkeitsdatums sortiert und konsumiert.

Um verschiedene Weihnachtsstimmungen ging es im ersten Text von MILENA, dem sie noch zwei weitere (über's Exil auf unserem smaragdblauen Wasserball und den süßlichen Duft an Annas rotem Kleid) folgen ließ.

MARIA SEITZ begann mit einer Jandl-ähnlichen Wortspielerei rund um Lola, ihr zweiter Text war eine Ballade über Liebe und ihre Entwicklung, der letzte handelte von den Gedärmen der Menschheit.

BEATE HELENE REITER (eine von 5 fv-open-mic-Debütantinnen des Abends) brachte eine Hommage an Schritte - kleine Wesen und Begleiter für's Leben. Ein totes Herz stand im Zentrum ihres zweiten Textes.

FRANK OZ sang zuerst ein Lied vom zerrissen sein ("State of the Heart"), auf das ein im rhiz geschriebenes Gedicht über Weihnachten und ein nicht brennendes Feuer (um das man herumsitzt) folgte.

SUSANNE RÖDL las auf Wienerisch aus ihrem Buch. Es ging in dem konsumkritischen Text um Einheitsbrei, Überfluss und eine Nadel im Heuhaufen (bzw. die Frage nach essbaren Verpackungen).

Die erste Hälfte beendete (nicht zum ersten Mal) WOLF MORRISON mit einem (wohl anlassbezogen ausgesuchten) Abschiedslied: Leb wohl, mach's gut, pfiat Gott, Adieu.

Danach wurde pausiert.

ANDI PIANKA brach das Eis der zweiten Hälfte mit einigen Gedichten nostalgischer Natur. Darunter war auch ein französischsprachiges oder auch ein nach dem ersten fv-open-mic-Veranstaltungsort (Feile) betiteltes.

SINA WAGNER (erstmals dabei) folgte mit einer (feministischen) Hommage an Allen Ginsberg: Ich sah die schönsten Mädchen meiner Generation... - ein Text über die Frauen, ihre Körper, ihre Väter und den Moloch Kindheit.

Um die Zahl 5 drehte sich der Auftritt von GERHARD (zum 5. Mal dabei, 5 Minuten, 5 Gedichte). Inhaltlich ging es in den Gedichten um Abschied, den Tod, die Liebe, ein "ich will" und ein Blätterwerk.

VERENA (mit welcher der Autor dieser Zeilen einen Tag später gemeinsam einen Slam moderieren durfte) brachte einen Text über Begegnungen, konkret um die Begegnung mit einem jungen Flüchtling und ihren Umgang miteinander.

MARLIES THUSWALD konnte ihren ersten Gedichtband (der erst am nächsten Tag mit der Post kam) grad knapp nicht präsentieren und trug deswegen als "Plan B" einen Text über Wünsche von Kindern (nach einer schneller laufenden Pendeluhr) vor.

HARRY P fragte sich (und uns), ob Menschen klug seien - dies anhand eines Textes über die (aufgrund von Erfahrungen manchmal sehr wechselnde) Einstellung mancher Menschen zu Flüchtlingen.

Bei NIKOLAUS LUTTENFELDNER begann es auf einmal aus der Zimmerkommode zu sprechen. Doch nein, es war nicht die Kommode, sondern ein Holzwurm, der sich über die Menschheit beklagte.

Wie gewohnt mit Gitarre erschien als nächster Auftretender MIKE HOFER auf der Bühne und gab seinen kurzen englischsprachigen Song "Destination" zum Besten.

"Drei Schritte weiter rauf" (nämlich ebenfalls auf die Bühne) traute sich zum ersten Mal KIRA, die sich in ihrem Text mit der (uns umgebenden und Freiheit gebenden) Stille befasste.

STEFAN PETER brachte in Gedenken an die mehrmals bei uns aufgetretene Angela (siehe Nachbericht vom Oktober-open-mic) sein Lied über die sternenklare Herrgottsliab'.

Schließlich durfte auch THOMAS mit einem (wie immer) nur ein paar Stunden alten Text auf die Bühne. Es ging um eine postnatale U-Bahn-Fahrt (in einer U6-Garnitur, die Schnitzler nicht mehr erlebte) auf dem Weg zu einem Date.

Und somit ging dieses 58. farce vivendi open mic (das 13. im Spektakel) zu Ende.

Wir bedanken uns
a) bei allen Aufgetretenen für ihre Darbietungen
b) beim Publikum für's Interesse an a)
c) beim Spektakel für die Gastfreundschaft
d) bei den uns mit Büchern und Zeitschriften versorgenden Sponsoren (& Radieschen, Feribord, Das fröhliche Wohnzimmer,...)

Dies war der 58. Streich, doch der nächste...
...folgt, wie ihr mittlerweile alle wisst, nicht sogleich.

Wir begeben uns in eine kreative Nachdenkpause, die höchstwahrscheinlich auch 2016 zu einigen (nicht monatlichen) farce-vivendi-Veranstaltungen führen wird (es gibt auch schon konkrete Ideen). Im Zentrum dürfte eher ein neues Format stehen, aber es könnte durchaus auch 1, 2 Abende in einem Open-Mic-Format geben. Infos darüber werden zu gegebener Zeit hier nachzulesen sein bzw. werden auch über unsere Mailinglisten kommuniziert werden.

Bis dahin: Macht es gut und wir sehen uns hoffentlich bei der einen oder anderen Veranstaltung wieder.

Montag, 30. November 2015

15.12.: Das vorläufig letzte fv open mic!

Sehr verehrte Erd- & Universumsbevölkerung!

Am Di, 15.12.2015 findet das 58. und
vorläufig letzte farce vivendi open mic
statt. 

Da wir aus diesem Grund ein überdurchschnittliches Auftrittsinteresse vermuten (und wir aber gleichzeitig - in eurer aller Interesse - bis allerspätestens 23:30 fertig sein möchten), könnte im Fall eines sehr großen Andrangs an Auftretenden eine Abweichung von unseren sonstigen (sehr liberalen) Regeln erfolgen. Das würde heißen: Wer sich bis Punkt 20h(!) vor Ort(!) anmeldet (und nicht per Mail oder SMS!), kommt auf jeden Fall fix dran. Für alle anderen allfälligen Anmeldungen darüber hinaus können wir keine Garantie auf einen fixen Auftrittsplatz abgeben. Das heißt, die übliche Möglichkeit von Nachanmeldungen noch während der Veranstaltung bzw. in der Pause wird es möglicherweise nicht geben (bzw. nur dann, wenn wir uns in unserer Vermutung einer sehr hohen Zahl an Auftrittswilligen verschätzt haben sollten). Dies nur mal so zur Info.

Aber vor allem: Große Vorfreude auf Eure Beiträge! 

Freitag, 20. November 2015

Betonblöcke am Anfang, Träume am Ende



Beim 57. farce vivendi open mic waren natürlich u.a. die jüngsten Ereignisse in Paris eines der Themen, die in den Darbietungen unserer KünstlerInnen zur Sprache kamen. Und zum bereits vierten Mal in diesem Jahr erreichten wir die magische Zahl von 16 Acts auf der Bühne.


Voltaire auf der 5-Francs-Losmünze ließ MELAMAR den Abend anfangen. Ihre drei Texte (ein ganzfrischer und zwei ältere) nahmen Bezug auf Facetten des Islamismus in seiner gewalttätigen, verlogenen (z.B. saudische Doppelmoral) oder auch ganz alltäglichen Gestalt mitten in Wien (wo es um Beschimpfungen aufgrund von Nicht-Verschleierung ging).

Bei ANDI LUF & MAGDA MAZAL (feat. DEMIAN, dem bislang wohl jüngsten auf der Bühne befindlichen Menschen in der Geschichte des fv open mic) spazierten zwei Betonblöcke auf der Donauinsel, wo sie auf einen dritten Block aus Eis trafen, der aber das Produkt eines Künstlers war („Ich bin ein Karfunkelstein!“).

 


FRANK OZ begann mit einem Text über selbsterfüllende Prophezeiungen, in dem er mit der Macht Schluss machte und geduldig wie ein Stein war, und setzte musikalisch mit einem Cover fort, nämlich „Bad Moon Rising“ von Creedence Clearwater Revival.






HARRY P sprach in seinem ersten Text das selbstverständlich nehmen vieler Unmenschlichkeiten (u.a. gegenüber Flüchtlingen oder BettlerInnen) an, auch der zweite („Der Lämmergeiereffekt“) behandelte ein ähnliches Thema – nämlich wie Feindbilder aufgebaut werden.



 
WOLF MORRISON brachte zwei musikalische Hommagen an zwei recht unterschiedliche
Künstler: zum einen Neil Young zum 70er (mit dem Cover von „Rockin’ in the Free World“) und zum anderen ein Instrumentalstück namens „Mike’s Blues“ bzw. „Jo mei, das wird heit nix“.




CHRISTIAN SCHREIBMÜLLER versuchte mit einem Rätsel bezüglich des Autors des Originals (das aber niemand erriet) 10 Euro loszuwerden und brachte seine wienerische Übersetzung von Lawrence Ferlinghettis „Christ Climbed Down“, wo Christus vom Kreuz o’ghaut is und auf Wiederempfängnis warten tut.




 

MILENA (erstmals dabei und ca. 100 km extra angereist) brachte fünf kurze Gedichte (teils hochdeutsch, teils im Mostviertler Dialekt), die sich u.a. um Wiens Kaffeehäuser, das eigene Ich und die Gesellschaft drehten. In Wirklichkeit bin ich ganz anders. Denn die Wahrheit liegt hinter der Wahrheit. Und der Drache speit über Ostarrichi.






STEFAN LOTTER (zuletzt auf dieser Bühne sehr erfolgreicher Teilnehmer des 1. WN-Slam) sang mit Gitarre zwei Songs für seine (mittlerweile Ex-)Freundin: Drum hurch mi an: Es is vorbei. Du kannst mi amal. Und im zweiten Lied (chronologisch vor dem ersten spielend): Sei doch bitte afach amal leiwand!




Daraufhin ging es ins Pausieren.

ANDI PIANKA gab nach dieser den Eisbrecher #2. Zum „International Student’s Day“ und der
Vorstellung der „Bildungsreform“ durch die Regierung am selben Tag passte für ihn sein „Pisa“-Text sehr gut. Die neue Mittelschlange und die 90-60-90-Model(l)regionen kamen ebenso vor wie die Pasta Bolognese an den Unis.




  
GEORG HARLEKIN, wieder mal im Dreiteiler unterwegs (textmäßig, nicht kleidungsmäßig) begann mit Bindewerk und Sprechblasen, setze mit einem aufmerksam machen fort, bis es schließlich Zeit wurde im Land der Hämmer, zerbrochener Gläser und Schattenwandpersonen mit blaubläulichem Farbton.






MIKE HOFER („Also was spül ma?“) spielte ein Lied von 2012 mit anderer Melodie. Es ging um’s sich selber Verzeihen und dem Leben Hoffnung geben, nachdem er den Tod persönlich kennengelernt hat. Es folgte ein zweites kurzes Lied, zu dem ihm aber, wie er meinte, erst einmal der Text einfallen müsste.

 
THOMAS MAYER las einen Text von einer Frau mit Eleganz. Doch wie ein Gespräch anfangen?
Lieber per Mail. Doch am nächsten Tag zur Mittagszeit nach ein paar Gläsern Wein (um seine „Schreibblockade Deluxe“ loszuwerden) war seine Liebeserklärung voller Rechtschreibfehler (Liepe, güssen etc.)




THOMAS’ Text war laut eigener Aussage „wirr“, trug den Titel „Herbstdepression und Hundebabies“ und bestand aus vielen Wortspielen (Beirut – bei Ruth), Reimen (Drama-Lama, Hamlet-Omelett), aber auch Anspielungen auf manche Politiker (Spritzer? Danke, für mich nicht, ich fahr noch mit dem Aufzug).



 

 LAPIDAR, ein Musiker türkischer Herkunft, der nun zum dritten Mal beim fv open mic dabei war, spielte zwei englischsprachige Songs, die vor allem die Liebe zum Thema hatten. Im ersten Lied ging es u.a. um den Atem, im zweiten u.a. um’s Lächeln.





MARLIES THUSWALD brachte einen Text über einen Trompeter, der Peter hieß und in einer Metropole lebte, in der es eine Metro und Pole gab. Schon mit 3 Jahren beschloss er, Trompeter zu werden, war aber dann als Erwachsener einsam. Da lernte er in der Metro Trompetra kennen.






 

YASSIN, ein Flüchtling aus dem Irak, sorgte für den quantitativ kürzesten, aber qualitativ dafür umso
beeindruckenderen Auftritt. Er sang (ganz ohne Instrumentalbegleitung) auf arabisch (der Autor dieser Zeilen bittet aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse um Verständnis darum, leider von den Inhalten des Gehörten keine Zusammenfassung anbieten zu können).





 NIKOLAUS LUTTENFELDNER, so wie die Auftretenden vor und nach ihm erstmals dabei, lobpreiste in seinem Text die einfachen Dinge: den Baum (Linde), dem seine Aufmerksamkeit galt, die Vielzahl an Baumkronen (Baumkronenkonglomerat), das Eigenleben der Bäume und dass nichts verloren geht.



 

MARIA SEITZ erzählte einen Traum von einem sie beherrschenden Mann („wie Louis quatorze“,
der mit seinen Kumpels Kernspaltungen ausheckt, auch an Igeln), von dem sie nicht fort kann. Die Frauen dort dürfen ohnehin nur Bananen essen, das Fleisch ist den Männern vorbehalten. Da kommt der Gedanke einer Flucht auf.




Und damit war es um das vorläufig vorletzte (klingt grad ein wenig nach Stabreim oder Alliteration) fv open mic geschehen. Denn wir sehen uns im Dezember zum bis auf Weiteres letzten Mal! Sag niemals nie, heißt es, deswegen sprechen wir auch nicht von einem Ende für immer. Sehr wohl aber von einem vorläufigen Ende, das euch am 15.12. erwartet. Kommet also alle in Scharen (oder in Schalen...wie es euch halt lieber ist). Also nochmals:

Am 15.Dezember findet das vorläufig letzte farce vivendi open mic statt!!!

Dienstag, 27. Oktober 2015

Damaszener Zuckerbäcker und alliterierende Alpakas im Land der goldenen Sterne



Am Vorabend jenes Tages, an dem der zweite Teil der Film-Trilogie „Zurück in die Zukunft“ spielt, kamen in den Beiträgen des 56. farce vivendi open mic alle möglichen Zeiten vor (die Zukunft wie die Gegenwart und wie die Vergangenheit).

Die Schillingmünze aus dem Jahr 1985 (dem Jahr, in dem „Zurück in die Zukunft“ startet) entschied sich für MELAMAR als erste Eisbrecherin. Sie brachte einen Text namens „Damaszener Träume“, in dem sie sich daran erinnerte, wie sie – inspiriert durch die Geschichten aus 1001 Nacht – als 9jährige von einer Damaskus-Reise träumte, weil es dort die besten Zuckerbäcker der Welt geben würde. Sie wurde milde belächelt, doch drei Jahrzehnte später fing (2012) ausgerechnet in jenem Zuckerbäckerstadtteil (Al-Midan) der syrische arabische Frühling an. Wird wieder eine Zeit kommen, in der man an Süßigkeiten denkt, wenn der Name Damaskus fällt?

Das Los mit der Nummer eins war eines, das auf den Namen MIKE HOFER lautete. Er betrat – so wie auch sonst immer – wieder einmal in Begleitung einer Gitarre die Bühne. Ein neues Lied über „a destination that I wanna reachin’“ brachte er dem Publikum dar – wie üblich untermalt durch kurze Zwischenkommentare und rein instrumentelle Passagen. Die langsam ablaufende Zeit kommentierte er spontan mit einem „just thirty seconds left“ und verließ sodann – wie alle anderen Auftretenden – mit einem Feribord die Bühne.

GEORG HARLEKIN zog sodann als Glücksfee gleich sich selbst. Sein erster Text handelte von Flüchtlingen, die alles verloren haben, und deren Menschenwürde. Im zweiten ging es um die Liebe und darum, was sie alles möchte (atmen, kommen, gehen, wachen, mit dir schlafen,...). Liebe liebt einfach Musik. Liebe atmet Liebe und gibt mit Liebe Liebe. Im dritten Text ging es um Frieden: Hey Man! You man! Yes we can! What?! Don’t close your eyes to the problem. Unsere Welt: noch immer nicht verarztet, ich meine verbunden.

Unser “Urgestein” CHRISTIAN SCHREIBMÜLLER erzählte über den Caruso von Rodaun, der es an jedem Freitag Nachmittag immer wieder angeht, in die Schellbahn einsteigt und in Breitensee wieder aussteigt. Dort im Wirtshaus gibt’s zwar mittlerweile einen vom Balkan stammenden Sänger, bei dem er manchmal mitsingt („I mach nur noch, was i kann“), aber früher, da hätte er selber „an der Oper gastiert, in Laa an der Thaya gar triumphiert“. Auch wenn er Fiedler heißt, so war er doch der Caruso von Rodaun.

Erstmals beim fv open mic mit dabei war ALEXANDER BIEDERMANN. Unter dem Titel „Less home“ gab es von ihm einen Text über sehr aktuelle Themen und Fragen zu hören: Wo wohnst du? Wo schläfst du? Wo trinkst du? Wo isst du? Wo wäschst du dich und wo deine Wäsche? Wo legst du dein Zeug hin und wo deinen Hut? Wer gibt dir den Frieden, nicht rastlos zu sein? Wie hast du es bis hierher geschafft? Der Text mündete schließlich in folgende Bitte: Ich bitte euch: Steht auf und bereichert dieses Land!

MARLIES THUSWALD las ihre Fabel „Der Zaunkönig“. Im Land der goldenen Sterne auf blauem Grund hatten alle Menschen eingezäunte Grundstücke. Das fanden die Kinder langweilig und versuchten, durch Spiele die Zäune zu überwinden, während sich die Erwachsenen noch höhere Zäune wünschten. Die Kinder beschlossen, es selbst mal anders zu machen. Und 50 Jahre später konnte man einfach über die Wiese gehen. Doch auf einmal sah man „andere“ Leute auf der Straße. Erst wurden sie eingeladen, doch dann, als es immer mehr wurden, beschlossen die nun erwachsenen Kinder von damals, wieder Zäune zu errichten.

Die erste Hälfte beendete (nicht zum ersten Mal) WOLF MORRISON. Er erinnerte an den 26.10.1965, an dem die damals 16jährige Sylvia Likens nach jahrelangem Martyrium durch ihre Ziehmutter ermordet wurde. Schrei nur, kleine Sylvia. Du kannst schreien, doch es is ihnen wurscht. Deine Schreie nimmt keiner wahr. Wir baden di in siedend heißem Wasser. Das nächste Spiel heißt: Menschlicher Aschenbecher. Deinen Nachbarn ist das wurscht. Irgendwann hat sie’s nimmer geschafft. Plötzlich war’s den Nachbarn nimmer wurscht.

Bevor es in die Pause ging, erinnerte das Moderatorenteam an Angela, die 2014 und 2015 öfters am fv open mic teilgenommen hat, vor allem aber auch eine engagierte Kämpferin gegen Kindesmissbrauch war (u.a. Organisatorin der Langen Nacht gegen Gewalt und Missbrauch) und Ende September leider von uns gegangen ist. R.I.P.

Den zweiten Eisbrecher gab ANDI PIANKA mit einem schon älteren Text, der nicht auf den gerade zu Ende gegangenen, sondern auf den vorigen Wiener Wahlkampf (2010) Bezug nahm. Damals plakatierte ja der dracularisierende Zahntechniker „Mehr Mut für unser Wiener Blut!“ Da hilft es aus Sicht des Autors nur (wenn man nicht so tief fällt, dass man Blutgruppe HC negativ hätte), statt blutrünstig urinbrünztig zu sein und das Wiener Blut mit Urin zu untermalen, somit: Mehr Urin für unser Wien!

LAPIDAR (nach seiner Premiere letztes Mal zum zweiten Mal dabei) machte zuerst Werbung für sein Konzert am folgenden Tag im Cafe Concerto, bevor er dann zwei Lieder zum Besten gab – ein Cover und ein eigenes. Das erste davon war wieder „The Story“ von Brandi Carlile: So many stories of where I’ve been and how I got to where I am. But these stories don’t mean anything. Die zweite Eigenkomposition beinhaltete u.a. einen “Comeback way” mittels eines "close your eyes" und "find the way".

FRANK OZ (erstmals bei uns) wurde um 3 in der Nacht munter, worauf er zur After-Hour ins Cafe Carina fuhr, mit dem Text begann und ihn im Cafe Concerto fertigschrieb. Dieser heißt „Frühbisspätgedanken“ und handelt von seinen Erlebnissen in jener Nacht, z.b. unter seinem Arsch rollende Billardkugeln (undercover) oder in seinem Kopf tanzende Fälle (overload). Anstoß ganz zwanglos. Von fruchtlos zu furchtlos. Lichtlos zu pflichtlos. Vom Schein zum Sein. Als eine Art Zugabe sang er noch das Lied „Sassafras Roots“ von Green Day.

Der Text von THOMAS handelte (diese Geschichte erzählt die Mama ihrem Kind Kevin-Jacqueline) von Albert, dem Alpaka, und Lana, dem Lama. Albert (alles andere als alltäglich) wird von den anderen Alpaka-Kindern wegen seiner Ablehnung von Alliterationen schikaniert. Irgendwann flieht er und wird von amerikanischen Touristen mitgenommen. Doch als sie Witze über Albert Luther King reißen, läuft er auch ihnen davon. Da trifft er Lana: lasziv, lüstern, mit einem Lama-Lächeln. Sie verlieben sich und nennen ihr Kind Mozart. Und wie viel wiegt eigentlich ein Eisbär? Genug, um das Eis zu brechen!

Erstmals mit dabei und dafür gleich mit einer Kiste ausgestattet war HOFRAT KRAMURI, der eine naturnahe Geschichte erzählte: Nebel, nasses Laub, Waldweg Richtung Neuwaldegg. The 1st cow makes moo. The 2nd cow: Wow, I’m a cow! The 3rd cow: sounds like a first abstracte picture was a Kuhflade. Reife Zitronen sind gelb – und das ist gut so. Blaue Zitronen sind keine Zitronen – es könnten Zwetschken sein. Die Prise Zuckerwatte schenk ich meiner Hängematte. Poesie! Sein Vortrag wurde von einer unglaublichen Anzahl an dazupassenden Requisiten aus seiner Kiste untermalt.

Nach längerer Zeit wieder einmal da war RONNI. Er nahm Ernst Jandls berühmtes Gedicht über das velwechsern von lechts und rinks als Inspiration für die Verarbeitung seiner Erlebnisse bei einer Burschenschafter-Veranstaltung (eine für ihn als sonst in weit linken Kreisen verkehrenden doch sehr außergewöhnliche Erfahrung): Egal, ob links oder rechts, ich hab gegrüßt. Blicke, die mir bekannt aus linken Räumen waren. Im Übermut geführt zu dieser Brut. Egal, ob radikal... Die Tür zum Herz geht auf und zu.

Einen weiteren fv-open-mic-Neuling durften wir mit MICHAEL SCHAFFLER begrüßen. In seiner frei erfundenen Biographie von einem Freund sollten zwar auch Stephen Hawking, Muhammad Ali, John Wayne und Eddie „The Eagle“ Edwards vorkommen, aber vor allem ging es um ein Aufwachen (nackt, einsam) in der Wohnung seines Bruders, ohne zu wissen, wie man angesichts einer verschlossenen Wohnung überhaupt reingekommen war. Ein Gefühl wie bei Gregor Samsa. Doch zum Glück stubste ihn die Oma von der Seite: Ein Stück Kuchen? Und somit war dieser Traum zu Ende.

Schlußendlich betrat ANGYAL GYULA die Bühne, der sogleich meinte, kein Deutsch zu sprechen, aber sich dennoch beider Mikrofone bemächtigte – als Rockstar, der sich seine Lieblingsmusen am Oberarm tätowieren hat lassen. Seinen Text „Ich französiere“ las er zweisprachig (ungarisch/deutsch) bzw. fast dreisprachig (die Aussprache des Französischen imitierend), wobei der Titel auf ungarisch auch ein Wortspiel ergab, das mit oralen Sexualpraktiken zu tun hat. U.a. kam die Erkenntnis vor: Das Ziel im Wiener Wahlkampf ist nicht die Parteifarbe, sondern der Einfluss. In der dunklen Hose ist der Einfluss gold.

Somit ging auch dieses fv open mic zu Ende. Der Autor dieser Zeilen entschuldigt sich für die ungewohnte einwöchige Verspätung, was das Verfassen dieses Berichtes betrifft (die v.a. in seiner Teilnahme an der österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaft letztes Wochenende in Innsbruck begründet ist, welche die grandiose Lisa Eckhart gewonnen hat).

Wir sehen uns am 17. November im Spektakel wieder. Am Wochenende davor können aber alle am selben Ort (also Spektakel) zu den Vorrunden der Wien-NÖ-Slam-Meisterschaft schauen, wo an einer davon (13.11., 21 Uhr) der Autor dieser Zeilen auch selber teilnimmt.

Mittwoch, 16. September 2015

Wellensprünge, Kasnudeln und junge Lover



Das erste farce vivendi open mic nach der Sommerpause war zugleich das zehnte, das im Spektakel stattfand. In etwas „familiärerer“ Publikumsatmosphäre als sonst (aber wir hoffen, dass uns all diejenigen, die das fv open mic gedanklich wohl noch in der Sommerpause wähnten (da ja astronomisch noch Sommer ist), im Oktober wieder beehren) gab es dennoch immerhin 11 Auftritte von 12 Personen zu bewundern (exkl. des Moderationsduos). Eine Info an dieser Stelle (da der Autor dieser Zeilen von einem Zuschauer eine dementsprechende Frage gestellt bekam): Nein, auch wenn sich an einem fv-Abend in den Beiträgen manche Themen wiederholen (diesmal waren es z.B. Liebe oder Flucht), so gibt es bei uns keinerlei thematische Vorgaben. So wie alle Sprachen und Stile, so sind auch alle Themen erlaubt und willkommen :-)

Doch nun das, was sich am Abend des 15. September ereignet hat:

Die die Reihenfolge der EisbrecherInnen bestimmende griechische Drachme fiel nicht auf Homers Kopf, sondern auf Zahl – somit durfte ausnahmsweise MELAMAR die erste sein. In ihrem sehr neuen, mit „Schreiben“ betitelten Text befasste sie sich mit der Frage „Was schreiben in Zeiten wie diesen?“  Von einem Buchcover blickt sie Raif Badawi an (aus dessen Buch melamar auch zwei kurze Passagen einbaute). Meinungsfreiheit ist die Luft, die sie atmet. Diese Menschen wären nicht auf der Flucht, wenn sie daheim lesen und schreiben könnten. Und sie beendete ihren Text (in dem es auch um Säkularismus ging) mit der Erkenntnis: Worte können Leben retten.

Erstmals mit dabei – und gleich als Nummer 1 gezogen wurde LAPIDAR, ein aus der Türkei stammender Musiker. Er beglückte uns (samt Gitarre und einer beeindruckenden Stimme) mit zwei englischsprachigen Songs, konkret mit zwei Covern. Das erste war „Hurt“ von Trent Reznor (manchen vielleicht auch bekannt in der Version von Johnny Cash): What have I become, my sweetest friend? I would keep myself, I would find a way. Als zweites folgte „The Story“ von Brandi Carlile: All of these lines across my face tell you the story of who I am. It’s true...I was made for you.

Wie es der Zufall so wollte, wurde auch als Nummer 2 ein fv-open-mic-Neuling gezogen, nämlich JOE. In seinem Text ging es um die verwirrende Suche nach Freunden, die das schwierigste auf der Welt ist. Wir suchen real und digital (gemeint waren da „Freundschaften“ in so manchen sozialen Netzwerken). Manche Menschen misten ihre Freundesliste jährlich aus. Alkohol als „Hilfsmittel“ führt nur zu Kopfweh, speiben und piepsen im Ohr. Es ging dann auch um Gehirne von Zombies und die Angst vor dem verlassen werden. Und das schlimmste in einer Freundschaft ist deren wortloses Beenden.

THE BEASTPOET MÖLLWERK – unter diesem originellen Namen kam ein (aus Tirol stammendes) Duo auf die Bühne, dessen eine Hälfte schon einige Male solo beim fv open mic mit dabei war. Nicht unbedingt tirolerisch, sondern eher jamaikanisch klang die erste (englischsprachige) Nummer: eine Art Reggae-Rap, beatboxerisch untermalt. Es ging freestylemäßig auf Deutsch weiter (es ging u.a. um Spektakel-Tentakel, produzierende Satire und vor allem um’s Bügeln). Zum Schluss gab’s noch „an g’scheiten“ dritten Beitrag, der anscheinend noch eine zweite Strophe gehabt hätte.

Nummer 4 war ein „Urgestein“ des fv open mic, nämlich CHRISTIAN SCHREIBMÜLLER. Er brachte einen weiteren (neuen) Text aus seiner Serie über die „einen“ und „anderen“. Der eine ist ein Hallodri („Entschuldigung, steckt ein die Zung’“), der andere bleibt schüchtern und nüchtern. Klar is nur: Sie wollen di vögeln. G’wehnlich lebst halt mehr wie g’wehnlich. Und der Heimwerker bei seiner Maggie: Die Maggie, die schleck i. Am Abend kommst ganz gut durch mit zwölf Bier. Dann warf er die Frage auf, ob Mitklitoris (abgekürzt: Mitklit.) die gendergerechte Form von Mitglied ist. Es rennt halt schlecht mit de Geschlechta.

Wie schon oft, war auch wieder einmal WOLF MORRISON (diesmal mit Gitarre) für die letzte Darbietung vor der Pause verantwortlich. Aus aktuellem Anlass sang er sein Lied „Fremder in der Stadt“, in dem es darum geht, wie Menschen, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind („alle Ersparnisse investiert für eine Überfahrt auf einem überfüllten Boot“), hierzulande empfangen werden: I will dir doch nix tun, i will einfach nur leben (aus der Sicht des Flüchtlings). Sein zweites Lied „Little Wing“ war eine Hommage an Jimi Hendrix, dessen 45. Todestag sich dieser Tage jährt.

Danach wurde für ca. 15 Minuten pausiert.

ANDI PIANKA als zweiter Eisbrecher stellte sich in seinem Text die Frage, welche Ziele eigentlich die Pegida-DemonstrantInnen verfolgen bzw. welche Forderungen sie aufstellen – vermutlich die nach Verbot arabischer Ziffern, der Geschichten aus tausendundeiner Nacht, des Kopftuchs von Nonnen, des grünen Ampellichts oder der Perserkatze (die vor einer Zwangsverheiratung mit einem afghanischen Windhund beschützt werden muss). Ferner sind Ali-mente durch Adolf-mente zu ersetzen und schwarze Vollbärte durch originär teutonische Schnauzer, ras(s)iert nach dem deutschen Reinheitsgebot.

GEORG HARLEKIN, dessen erstes Buch am 17.9. im Amerlinghaus präsentiert wird, war in „Trainingscamp“-Stimmung. Er fing mit zwei Zitaten an: eines über das Erschaffen („Kreativität bzw. Relativität ist der Schöpfungsprozess in Aktion...“) und eines über das Schweigen (über das aktuelle Weltgeschehen bzw. schweigen und sich dankend verneigen). Dem folgte ein Text aus dem eben erschienenen Buch: Matt statt satt – Schachmatt (ein Albtraum). Draußen ist es düster. Das Verderben verbreitet sich rasant markant. Dämonen tanzen den Walzer. Die Fratze des Krieges.

Auch wenn die nächste Autorin meinte, ihre Mutter hätte ihr womöglich auch den Vornamen Kaktus geben können, so stand sie doch als JAZMIN DEL CAMPO auf der Bühne. Sie las ihren Text „Das Spiel der Liebe“. Die Liebe ist verunsichernd, voll mit Risiken (ob für risikoscheue oder Liebesschwärmer). Es ging um die Versuche der stärkeren Person („Du schaffst es schon!“), sich zu biegen und anzupassen, um die andere Person zu verändern („Obendrauf gehört dieses Herz ja mir“). Es muss erst geschehen! Es muss die Veränderung vollzogen sein! Ob es Liebe war? Du wirst dir die Frage nie selbst beantworten können.

HARRY P brachte zunächst einen Text mit dem Titel „Bananität der vergurkten Krümmungen“, in dem er sich mit der unterschiedlichen Wertigkeit der Geraden und der Krümmung beschäftigte. Das fände er diskriminierend. Weiters ging es in dem Text um Dinge, die man heute nicht mehr sagen darf, z.B.: Eu weh! Das könnte als Anti-EU-Statement missverstanden werden. Der zweite Text war ein Dialog eines Ehepaares: Der Mann liebt seine Frau, weil sie sich so gerne verdreschen lässt und sich auch sonst devot gibt. Doch die offenbart ihm nun, einen jüngeren Mann gefunden zu haben, der zur umgekehrten Rollenverteilung bereit ist. Es folgte noch ein kurzer Abschluss zum Thema Wahrheit und Lüge.

BARBARA SABITZER präsentierte ein ihrer Meinung nach „Worst of“ ihrer Texte. Der erste war ein „extremkärntnerischer“ Abriss über die wirklich wichtigen Themen im Leben. Rezeptgebühr, Studiengebühr, Heizkostenzuschuss? Nein: Kasnudeln, Kasnudeln, Kasnudeln! Mir hab’n ja kan Schuss. Scho fesch – und auf einmal Crash. Der zweite Text war eine Art gerappter politkritischer „Sonntagsblick“. Es ging um den Anstieg seltener Krankheiten wie Zwerchfellzerrung, Penisschwellung, Wackelarsch, Herzgewittern. We’ve got the blues. Fast alle sind schon angesteckt. Wo bleibt hier das Rettungspaket?

Von MARLIES THUSWALD gab es fünf kurze Texte zu hören, von denen die meisten ein Ich und ein Du beinhalteten. Sie handelten von einem Puzzlespiel („Du fragst, wer du bist – Ich frag, wer kann ich sein?“), ausgesprochenen Gedankenkreiseln, der stechenden Zeit und einer Wildwasserfahrt („Du bist wie Wasser, nur noch nasser, du zerrinnst mir unter den Fingern“). Auch der fünfte Text handelte von Wasser, aber in einem anderen Zusammenhang: Wellenspringend die Donau entlang, so blau, so blau. Flut ist die ungleiche Verteilung von Wasser. In den Booten, in den Lastwagen, da kommen keine Fluten. Da kommen Menschen!

Last, but not least (diese Formulierung führte zu einer Diskussion darüber, in welchen Sprachräumen sie verwendet wird) kam wALTEREGOn samt Gitarre auf die Bühne. Das erste Lied („Maybe I’m Amazed“) war fast von ihm, aber doch auch ein wenig von Paul McCartney – das zweite, „handfestere“, dafür ganz von ihm. Ursprünglich sollten Schwalbe und Star vorkommen, das fand er zu kitschig, also Schweinedame und Skunk. Die Schweinedame hat genug vom alten Eber. Sie will einen exzessiven, noch dazu jungen Lover. Also zweigt sie mit dem Skunk in die Sümpfe ab („Hey Baby, komm doch in den Pool!“). Es wird immer mehr. Doch das Liebesspiel hat dann eine geruchlich nicht so tolle Wende.

Somit ging dieser Abend (der auch im Zeichen der Frage stand, ob eine Glücksfee, die sich selber zieht, eine Autoziehung begeht und ob der Autor dieser Zeilen in den Blog hineinschreiben kann, dass es beim fv open mic zu Autoziehungen kommt, weil das beim potenziellen Publikum vielleicht missverstanden werden könnte) zu Ende. Das nächste fv open mic findet dann bereits tatsächlich im Herbst statt, nämlich am 20. Oktober 2015.

Montag, 27. Juli 2015

TERMINE

Liebe Freundinnen und Freunde der angewandten Wortkunst!


Das farce vivendi OPEN MIC genießt derzeit seine Sommerpause.
Weiter geht es im Herbst und zwar:

Di 15.09.2015

Di 20.10.2015

Di 17.11.2015

Di 15.12.2015

Veranstaltungsbeginn ist jeweils 20:00h, Einlass um 19:30h. Eintritt frei(e Spende).

Anmeldung für Auftretende am Abend vor Ort


Mit sommerlichen Grüßen!


melamar


Mittwoch, 17. Juni 2015

Konstrukte, Requisiten & Instrumente



Zum letzten Mal vor der Sommerpause lud das farce vivendi open mic ins Spektakel. Und es wurde ein ganz besonders vielfältiger Abend, was die Bandbreite der Darbietungen betraf. Zudem befanden sich auf und unterhalb der Bühne derart viele Requisiten und Instrumente, wie das bei einem fv open mic bislang noch kaum vorkam. Wer es versäumt hat, ist selber schuld.

Andi Pianka und Thomas Mayer gedachten bei ihren jeweiligen Beiträgen einer gemeinsamen guten Freundin beider, Katharina Horak (dessen zehnter Todestag sich vor kurzem jährte), indem sie vor ihren eigenen Texten auch jeweils zwei kurze Textpassagen von ihr lasen (siehe auch weiter unten).

Nach der Eingangsmoderation und dem traditionellen Münzwurf durfte(?)/musste(?) ANDI PIANKA als erster Eisbrecher auf die Bühne. Nach, wie oben erwähnt, zwei Texten von Katharina Horak, in denen es um Leben, Sinn und Heimat ging, folgte der eigene Beitrag zu einem aktuellen Thema: Nummer 7 versinkt im Mittelmeer – es war ja das Krokodil schuld und nicht unsere feste Festung Europa. So rette sich, wer kann. Fällt ja nicht auf in der Statistik unserer Sadistik.

GEORG HARLEKIN wollte erste Glücksfee sein und zog....sich selbst. Sein erster Text verarbeitete (laut Interpretation des Autors dieser Zeilen, der damit richtig zu liegen hofft) Platos Höhlengleichnis und Freuds Instanzenmodell: Das Ich als der bewusste Selbsttropfen bzw. der zweite der 3 Selbsten in einem in sich abgeschlossenen Höhlensystem. Auch Amor und sein (in einem alten Holzfass steckender) Pfeil kamen vor. Der zweite Text handelte von einem schweigenden Malkasten, in dem jede Farbe für einen anderen Wochentag stand.

WOLF MORRISON kam wieder einmal samt Gitarre auf die Bühne und sang zunächst ein Liedfragment über’s gern haben und verliebt sein. Mitten im Lied kam in einer kurzen englischsprachigen Passage auch sein Geburtsdatum vor. Das zweite Lied befasste sich mit dem gleichen Thema wie der Text von Andi Pianka von vorher. Es ging um die „Fremden“, die nach Überfahrt in einem überfüllten Boot hierzulande böse Blicke ernten, während sie selber einfach endlich in Sicherheit leben wollen.

THOMAS MAYER las, wie oben erwähnt, erst zwei Texte von Katharina Horak, in denen es um’s Schreiben und Laufen ging. Danach folgten drei eigene aus verschiedenen Jahren, in denen er sich mit ihrem Tod und dessen Verarbeitung auseinandersetzte: „Irgendwann wachst du auf und hast eine Mordswut im Bauch“, 5 Jahre später: „Habe die Kraft und einen kleinen Gott in mir entdeckt, der leeres Papier mit Buchstaben bedeckt“. Und schließlich der Neustart: „Ich war in der Hölle, jetzt bin ich zurück (...) Jetzt will ich nachholen, was ich versäumt“.

NADIA BAHA las einen Text mit dem Titel „Interventionen oder Sittenbild mit Innenministerin“ (in welchem diese 38 Deka Heimreisezertifikate einkauft): Wer alles will, hat immer noch alle Möglichkeiten offen, gar nichts zu wollen. Erfahrungen sammeln die anderen, ich jage. Ruft nicht schon wieder nach Verantwortung, sie könnte euch hören! Verantwortung, wer will das schon? Sumsumsum, die anderen bleiben stumm. Man muss die Menschen dort abholen, wo sie sind, denkt Johanna, denkt praktisch, schenkt Zeltzubehör.

STEFAN LOTTER besingt, sich dabei auf seiner Gitarre begleitend, seine Ex-Freundin Marina, die er ausgerechnet in der U2-Station Donaumarina(!) kennengelernt hat. Das hat ihn dann zu eben diesem Lied inspiriert: Komm doch mit mir, in die Donaumarina! Wir beide geh’n zusammen auf Tauchstation. Die Sonne scheint...Ach, könntest du nur a paar Stunden bei mir sein! Mein Problem ist, i bin planlos. Wer ned fragt, braucht si ned wundern, wenn dann nix passiert. Komm, wir lösen den Anker und wir fahren auf und davon!

JULIA SANTINI, ebenfalls mit Gitarre, sang erstmals einen Song auf deutsch (ihrer ehemaligen Chefin „gewidmet“): Maschine. Ecken, Kanten sind verboten. Jeden Tag das selbe Ticktackticktack. Talente sind nicht wichtig. Für dich zählt nur deine Sicht. Ich bin nicht dein Fußabtreter oder deine Marionettenpuppe. Deswegen der Refrain: Denn es ist dein Leben, mein Leben, unser Leben und ich verkaufe meine Seele nicht. Nein, nein, das mach ich nicht. Als Drauf- & Zugabe sang und spielte sie wieder ihren Song „Overpower me“.

JOSEF SEMELEDER und LUKAS RODHARTH waren erstmals beim fv open mic dabei, der eine mit Kontrabass, der andere bemächtigte sich des unterhalb der Bühne stehenden Klaviers. Da ihr Stück ein rein instrumentales war, ist es für den Autor dieser Zeilen sehr schwer, dessen Inhalt in Worten wiederzugeben (er könnte natürlich hier die Notenfolge niederschreiben, was aber in diesem Blog zu viel Platz belegen würde). Jedenfalls haben sie ein Programm namens „Kontraspass“ und treten zudem am 27.Juni in der Galerie „Die Ausstellung“ auf.

Die letzte fv-open-mic-Pause vor dem Sommer folgte.

MELAMAR war Eisbrecherin #2. Bukurie - ein in verschiedenen südosteuropäischen Sprachen gebräuchlicher weiblicher Name - war auch jener der Protagonistin ihres Textes bzw. Manuskriptes in Arbeit. Eine ca. 70jährige Zeitungsverkäuferin, von der ein Strahlen ausging, erzählte von ihrer großen Familie, dem Krieg und darüber, wieso sie die anderen nicht hasst. Im zweiten Text („I try not to cry“) starb ihr ihr Traum: Diese Wirklichkeit da ist ne Fehlkonstruktion. Und gibt es ein Leben VOR dem Tod?

COSMUS hatte schon zuvor ein dreibeiniges Konstrukt aufgebaut, das auf drei Beinen stand und mittendrin zwei baumelnde Dinge hatte, deren Interpretation der Phantasie des Publikums überlassen war (wer nicht da war, ist selber schuld!). Vor diesem las/entzifferte er selbstverfasste Hieroglyphen, die u.a. von Freude, Zwang, Disziplin, Motivation, Mühe, Poetry Slam, Chaos, Kunst usw. handelten, ehe sie an einem Anfang anlangten. Denn begonnen hatte Cosmus mit den Worten: „Ich bin Cosmus. Ende. Das Experiment.“

THOMAS meinte, sein Text bedeute nichts und passe nicht zusammen, dafür beinhaltete er Sätze aus gleich 5 Sprachen (Deutsch, Norwegisch, Englisch, Spanisch, Französisch): Es war heiß, ich ging ins Theater – das Stück war schlecht (worauf ein Regen folgte, er nach Hause ging, ins Bett fiel und nach acht Stunden wieder aufstand, um nach weiteren 16 Stunden wieder schlafenzugehen). Wir traten an der Stelle, bis sie einbrach. Wir wollten um Verben werben. Lieber Fotos als Rehe schießen. Der Regen fiel auf deine baren Schultern. Peut-être pronto, peut-être jamais.

ANGYAL GYULA bewunderte zunächst Cosmus’ dreibeiniges Konstrukt. Da sah er sich als Mann. Seinen Text las er zweisprachig vor, erst auf deutsch, dann auf ungarisch. Er trug den Titel „Hure und Winden“ und war von einer norwegischen Black-Metal-Band inspiriert. Alle meine Schätze schmeiß ich in den Wind. Ephemere als Ephemere Scheiße. Die größten Huren sind im Politikerbereich. Oh, du Promiwelt, deine geschminkten Sterne strahlen. Aber ich bleibe Anarchist. Die Verrücktheit hat mich gesegnet. Ich fresse Black Metal. 

DOMINIQUE, erstmals beim fv open mic dabei, las zwei Gedichte. Zuerst einen „Appetizer“ zur Desorientierung: Was ist das für eine Welt der Gestörten? Was ist, wenn es doch ein Land unter meinem Bett gibt? Über Stock und über Stein bricht sich der Holzstock das Bein. Das zweite Gedicht handelte von Geisterkunde: Es wird Zeiten geben, da wundere ich mich. Es wird eine Sonne aufgehen, die wird eine Wonne sein. Wenn wir werden, wird etwas sterben. So viel, was das Leben klont. Du Mercedes-Benz unter den gedachten Worten.

MARTIN JUST, ebenfalls erstmals bei uns mit dabei, verwies zunächst auf sein Theaterensemble ginA für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, welches am 22.Oktober auch im Spektakel auftreten wird. Er las dann Ausschnitte aus seinen für dieses Projekt verfassten Texten: Oh Mandelsplitter dreizehnfach. Amygdala, du Kleinod, ich weiß dich sehr zu schätzen. Die Leit san do selber hinnig. Lästige Welt, die Nachbarn. Der Teschek, der bin wieder i. Alles, was je geschrieben wurde, darf nicht vernichtet werden - es wird vergessen.

Und damit ging nicht nur dieser Abend, sondern auch die farce-vivendi-open-mic-Saison 2014/15 zu Ende. Ein großer Dank an alle Aufgetretenen (in Summe 124 Auftritte in dieser Saison, also im Schnitt 12,4 pro Abend, wobei da die beiden EisbrecherInnen melamar und Andi Pianka noch gar nicht erst miteinberechnet sind, und wobei Georg Harlekin und Thomas Mayer es tatsächlich geschafft haben, bei allen 10 Open Mics dieser Saison aufzutreten – Respekt und Hut ab!) und natürlich auch an unser Publikum sowie das Spektakel!

Wir sind guter Hoffnung, uns/euch nach der verdienten Sommerpause im September wiederzusehen. Der genaue Termin wird euch, sobald er wirklich feststeht, hier mitgeteilt werden (so viel sei aber schon gesagt: Die Chance, dass es wieder der dritte Dienstag des Monats sein wird, also der 15.September, stehen derzeit nicht schlecht).

farce vivendi wünscht euch einen guten (Rutsch in den?) Sommer!

Donnerstag, 28. Mai 2015

ESC war gestern, heutzutage ist fv open mic angesagt!



Der Eurovision Song Contest ist vorbei, somit ist ganz Wien wieder im farce-vivendi-open-mic-Fieber. Und während der ESC nun nach Schweden weiterwandert, bleibt das fv open mic auch in Hinkunft Wien treu (auch wenn es seine Tätigkeit auf das ganze Universum ausstreckt).

Auch diesmal konnten wir wieder eine Quadratzahl an Auftretenden begrüßen, alle neune nämlich. Doch den Anfang machte als Eisbrecher ANDI PIANKA, der zum Jahrestag seiner Ankunft in Wien einen Text zu eben diesem Thema las. Der Südbahnhof („Treffen wir uns beim Löwen!“) kam ebenso vor wie die Gumpendorfer Strabe oder die nicht mehr existierende U2-Station Lerchenfelder Straße mitsamt einem dort geschossenem Selfie aus dem Jahre 2003.

GEORG HARLEKIN triptychierte in guter, alter Tradition. Sein erstes Gedicht („Sommerregen“) handelte von Erinnerungen an sein früheres Malen (der Geruch von Ölfarben, eine Flasche Wein danach etc.). Im zweiten Gedicht ging es um den Moment als Baustein der Zeit: Sperrstund ist’s für Katastrophenmeldungen. Und zum Schluss die Überraschung: Das letzte Gedicht stammte aus..............
...................dem soeben erschienenen ersten Buch des Autors. Wir gratulieren!

MARLIES THUSWALD nahm nach eigener Zählung zum zehnten Mal an einem fv open mic teil (was mit der Statistik des Autors dieser Zeilen auch übereinstimmt) und setzte zu diesem Jubiläum zu einem „Highscore“ an, wodurch im „Tetris-Nirvana“ ein neues Level erreicht wurde. Es folgte der Traum eines Quadrats („Ich bin ein eckiger Kreis“) über Asymetrien als Disharmonien, als dritter Text dann eine Fata Morgana to go („Die Wüstenfrau schenkt mir ein Lied gegen den Durst“) und schließlich ein Worteflüstern („Grazil entfaltest du vor mir die Welt als Origami-Spiel“).

DOKTOR RAFAEL (der bei uns auch schon unter anderen Namen aufgetreten ist) hielt ein Referat über Schimpfgeburten („Raviatis rhetoris natalis“), also Individuen, die chronisch schimpfen. Er erwähnte prä- und postnatale Sozialisationskriterien und brachte das Fallbeispiel von Heinz, 32 (Name geändert), den ein interdisziplinäres Team (Neurologe, Neurotiker, Psychologe, Tanzlehrer) behandelt. Und die WHO ist nicht mit der Band „The Who“ zu verwechseln. Seinen Vortrag hielt er übrigens als Dauerschleifen-Experiment, dessen Ende durch das (vom Auftretenden nicht ungewollte) Einschreiten des Moderationsduos besiegelt wurde.

MANUEL RAMOS MARTÍNEZ (auch nicht das erste Mal bei uns) brachte drei spanische Gedichte, zu denen MELAMAR die deutschen Übersetzungen las. Im ersten („Sueños“) ging es um Träume, die neue Träume gebären. Das zweite („Escala cósmica“) handelte von seiner Heimat Chile, dortigen Geisterstädten, verwunschenen Tälern („Wo die Kinder Erde kosten, als wär’s Kandiszucker“) und Schiffssirenen, welche die Stadt wecken. Das dritte Gedicht war eine Aufforderung zum Schreiben: Schreibt Verse auf die Blätter der Bäume, denn die gefangenen Verse sind eine Qual!

WOLF MORRISON kam (so wie meistens) in Begleitung eines Musikinstrumentes auf die Bühne, diesmal war es eine Gitarre. Beide Lieder handelten von der Liebe zu einem „Du“. Im ersten war das Du grantig und sudernd, obwohl ihr das Ich die Welt zu Füßen legt. Da hätte das Ich gleich in einem Kloster meditieren können. Das zweite Lied („Paradies“) beschrieb einen kurzen Augenblick des Glücks in einer langen und verregneten Nacht in einem im Grunde sonst ziemlich miesen Leben. Nach diesem Auftritt ging es dann in die Pause...

...nach welcher dann MELAMAR (deren neue Texte aus den zwei Kategorien „zu privat“ und „nicht fertig“ bestehen) mit einem älteren Text die zweite Hälfte des Abends einleitete. „Schaltet die Zikaden stumm“, erschienen in einer dfw-Anthologie, handelt von Europa und diversen Geräuschen: Technoparties ohne Techno, Hunde- und Wolfsgebell oder dem Gesang der Nachtigall in Dolby Surround. Freiheit und Gleichheit – was du auch willst, sei dir gegeben. Die zärtlichkeitsbedürftige Raubkatze nennt mich einen schrägen Vogel. Das ist Europa.

THOMAS MAYER las ebenfalls bereits (in seinen beiden Büchern) veröffentlichte Texte, nämlich zwei Liebesgeschichten. Die erste geht nicht gut aus: Die Doris wollte von ihrem Freund mehr Romantik, doch dieser kaufte ihr erst Blumensamen statt eines Blumenstraußes, dann einen Hasen, damit sie aus ihm Hasenbraten macht, und schließlich ein Kleid in Übergröße. Die zweite Geschichte geht hingegen gut aus. Als sich der Skinhead David beim Versuch, ein Asylantenheim niederzubrennen, in Fatima verliebte, war der Stolz auf das Vaterland wie weggeweht.

MAX WULLY, erstmals beim fv open mic dabei, freute sich, im Unterschied zu Poetry Slams einen Freund auf die Bühne mitbringen zu dürfen, nämlich einen Waschbären, für den er keinen Babysitter fand und mit dem er bauchredend auf der Bühne über Literatur diskutierte: Du mit deiner After-Poesie! Scheiß auf Goethe! Genug mit Busch! Da durfte auch die Bürgschaft nicht fehlen: Was wolltest du mit der Bratwurst, sprich! Dem folgte noch ein ernsterer Text über die Münder dieser Welt, von denen manche Schnitzel und andere Schläge bekommen.

MIKE HOFER musste zuerst schauen, ob seine Gitarre „noch stimmt“, dann legte er mit einem Lied los, welches ihm vor zwei Tagen eingefallen war. Es ging um die Freude am Trinken und am Rauchen, das man aber selten allein versuchen sollte, weil allein saufen depressiv macht und allein kiffen deppert. Dem folgte ein zweites Lied („a schene Nummer von an Freind, a guater Gitarrist“) darüber, dass es wichtig ist, dass man lebt, und über das alleine unterwegs sein.

THOMAS war der letzte Auftretende des Abends. In seinem Text setzte er sich mit der soeben stattgefundenen ÖH-Wahl auseinander. Die Wahlkabine erinnerte ihn an eine Herbergstoilette. In der Wahlwerbung ging alles nur um anti- (außer antialkoholisch). Das Motto „eat the rich“ taugte ihm nicht, denn die Reichen wollte er nicht essen – lieber einen Apfel, die sind wenigstens alle Transgender. Bei diesem Wahlfang fühlte er sich an einen Walfang erinnert. Noch egaler war ihm da nur noch der schwedische Sieg beim Song Contest.

Womit wir nicht nur beim Ende der Veranstaltung, sondern auch wieder beim Song Contest angelangt wären. Der nächste findet wohl im Mai 2016 statt, das nächste fv open mic hingegen viel früher, nämlich schon am 16. Juni 2015. Es wird das letzte des heurigen Schuljahres bzw. vor der Sommerpause sein.  

Mittwoch, 13. Mai 2015

26.mai: fv open mic - douze points


Achtung, wichtige Durchsage/Erinnerung: Das 53. farce vivendi open mic findet nicht wie üblich am 3. Dienstag des Monats, sondern ausnahmsweise(!) erst am 26.5.2015 (welcher der 4. Dienstag ist) statt!

(In den Akten des farce-vivendi-Ministeriums finden sich zu diesem Thema folgende ungeschwärzte Zeilen:
"merci, chérie, als r(e)isender phoenix werdet ihr hier nicht nur besungen, nein, hier werdet ihr vor allem auch belesen! hier geratet ihr nicht als puppet on a string in ein waterloo von nur einem bißchen frieden als molitva an die welt, nein, ach, take me to your heaven, in der nocturne von your eyes seid ihr rock’n’roll kids mit eurem hard rock hallelujah nämlich the voice im secret garden! somit: fly on the wings of love – ob als diva oder als satellite! denn only teardrops und euphoria ergänzen sich zu einem größeren ganzen und tanzen. oder singen und lesen. und das natürlich nicht zeitgleich zum ersten song-contest-semifinale (was ja als dritter dienstag des monats unser eigentlicher termin wäre), sondern ausnahmsweise um eine woche in eine viel interessantere parallelwelt als spektakel im spektakel zeitversetzt.")



 

Mittwoch, 22. April 2015

Aller guten Dinge sind 16



Aller guten Dinge sind 16 – so scheint jedenfalls derzeit das Motto des farce vivendi open mic zu lauten. Denn zum nunmehr dritten Mal in Folge hatten wir exakt 16 Auftritte (exklusive der beiden EisbrecherInnen), diesmal allerdings in Form von insgesamt 17 auftretenden Personen (die Auflösung dieses Paradoxons folgt erst am Ende dieses Berichtes, also werdet ihr ihn hoffentlich zur Gänze fertig lesen ;-))

Zuerst sprach wieder mal die Münze, diesmal eine vatikanische 50-Cent-Münze, die statt auf Zahl auf Papst fiel und somit ANDI PIANKA zum ersten Eisbrecher machte. Dieser hielt (aus gegebenem Anlass) eine bürgermeisterliche Ansprache („also 22 Spritzer für mich und 66 Wochenstunden für die Lehrer, damit sie wenigstens ein Drittel meiner Arbeitsleistung erfüllen, denn bloß ein Vierterl ist bis Dienstag Mittag an Leistung viel zu wenig“).

Als Startnummer 1 wurde (nicht zum ersten Mal) THOMAS MAYER gelost. Er hat’s nicht so mit dem Frühling, deshalb las er einen bluesigen „Frühlingsbeginn ohne Sinn“ vor. Der letzte Schnee verschwindet...Nur die Kälte in manchen Herzen bleibt standhaft. Nur Herzen, die in Tunneln wohnen, wissen nicht, was es heißt, sich auch mal zu belohnen. Verletztes Ego, gebrochenes Herz, für sie ist Dezember, Jänner, Februar und nicht Ende März.

Nicht das erste Mal dabei, aber das erste Mal unter seinem eigentlichen Künstlernamen angekündigt war RAFA EL AFAR, der nebst Gitarre auch einen Verstärker mitbrachte und ein „namensloses“ (Liebes-)Lied darbot: Oh my baby, take my hand and fly with me. Baby girl, you understand me. Come and swim with me. Neben diesen und noch vielen anderen Worten enthielt das Lied auch Laute, die hier schwer schriftlich wiederzugeben sind ;-)

GEORG HARLEKIN, unser Maestro des Triptychon, begann zur Einleitung mit einem Gong und setzte danach mit Gedicht #1 (Du schöner Geist, welcher Creation heißt...wir Endlichen spüren unser Gewicht...), Gedicht #2 (Die Garben der Narben: Ich will leben, mich freuen...ausgetrocknet sind die Flüsse...ohne Abschied bist du gegangen...) sowie Gedicht #3, einer „Mischung“ (...glaubte den Schlüssel verloren, trage ihn in meiner Tasche...), fort.

FRANZISKA SCHERZ las einen Text über einen Journalisten, der sich gerade in Urlaub befindet – auf einer griechischen Insel, wo er in einem idyllischen Ort einen Ausblick auf das weite, weite Meer hat (wobei er an Stränden nicht interessiert ist) und dort an seiner Familiengeschichte schreibt: über die Omama, über den Vater (einen Rom), über die Mutter, die ihn verließ, als er 4 war, über seine Schul- und Schulschwänzzeit.

LORE MURBACHER fand es im Raum „so gemütlich finster“ und fing mit einer Beziehungsgeschichte an. Diese Liebe hat ein Ablaufdatum, deswegen schlagt zu! Himbeerrote Liebe pur...Ka Bedrängnis, ka Gefängnis. Dieser Geschichte folgten noch einige Kurztexte, u.a. über das Glas schönster Erinnerungen, das voll gemacht gehört. Oder: dreimal, zweimal, einmal – alles ist besser als keinmal. Und: besser ein scharfer Schnitt!

Danach traten WOLF MORRISON und sein Keyboard in Erscheinung. Sein erstes Lied war eines, das eigentlich keine Frau zu hören bekommen möchte: Du bist wia a Kaktus. Du bist so spröde und so unnahbar. Kaktus in der Wüste, der grad blüht. Im zweiten Lied erklärte er sich zum Kaiser von Österreich: I regier nur für euch...Wenn i g’storbn bin, habt’s a schene Leich’...alle tun nur kuschen und die Wahrheit vertuschen.

MARLIES THUSWALD brachte in ihrer Auftrittszeit viele Kurz- und Kürzesttexte unter. Erst forderte ein Buntspecht: „Sprecht bunt, für weniger eckig und mehr rund!“  Dann rankten sich Bohnenstangen um eine Sandsteinstatue, die die Tauben mit Verdautem bedeckten. Weiters kamen vor: ein Erdbeben in einer spiegelbunten Welt, eine Spielwiese (Du bist so vielfältig, wie einfältig du bist...du ohrenbetäubendes Origami!), ein Kuss, eine Kerze und Wünsche.

COSMUS, der sich nach seinem letzten Auftritt mit dem Gedankentransformator schon verloren und nicht mehr ganz gefunden gefühlt hatte, kam mit einer weiteren seiner Erfindungen auf die Bühne, nämlich dem Persönlichkeitsgenerator, den er großbuchstabig mit „Das ewige Leben ist tot“ vorstellte. Man muss ihn drehen. Sind einige Fehler dabei. Glücklicherweise, sonst wär’s ja perfekt. Und so bin ich gegangen an das Ende, wo der Anfang ist.

Und da auf jedes Ende ein neuer Anfang folgt, war es nun logisch, die erste Hälfte in ein Ende bzw. eine PAUSE überleiten zu lassen, um ca. 20 Minuten später mit der zweiten Hälfte anfangen zu können.

Der Anfang der zweiten Hälfte gehörte dann MELAMAR, der Eisbrecherin #2. Sie begann mit einem von einem Bild inspirierten Gedicht über Magma, den Schoß der Erde. Wieso ist das Wort „Vulkan“ männlich? Phallischer Aspekt? Feuer des Lebens, living moments, moments of joy. Im zweiten Text hatte das schreibende Ich Aussicht auf neue Einsichten. Nach einem Augen- und einem Clown-Text folgte noch ein „möglichst schlechter“ über den Hubschrau-Bär, der auf den Teddy-Bär traf.

Der Text von THOMAS war erst unmittelbar vor der Veranstaltung (zwischen 19 und 20 Uhr) entstanden, als er in einem benachbarten Cafe saß. Ein pferdeschwanziger Kellner, der wirkt, als wolle er nicht beschrieben werden, und zur Postmoderne gehört (sowie womöglich Anführer einer Motorradgang ist), fragt nicht nach Schinkenbrot – er hat es! Doch obwohl er noch „mit Kren?“ gefragt hat, scheint er „unseren Jahrestag“ vergessen zu haben. Komm gleich!

KITTY wollte via Schwarzes Brett an der Hauptuni ihr Italienisch durch eine Tandem-Konversation auffrischen. Daraufhin meldete sich „Mike, 23, suche Deutsch“. Sie verabredeten sich im Audimax-Buffet. Ein schüchterner Mann geht immer wieder suchend hinein und hinaus. Doch wäre es nicht zu rassistisch, ihn zu fragen, ob er Italiener sei? Und die SMS an ihn wird automatisch von „sitze hinten“ auf „sitze hingebungsvoll“ korrigiert, doch zum Glück noch rechtzeitig nicht abgeschickt.

JULIA SANTINI brachte nicht nur eine Gitarre, sondern auch noch eine beeindruckende Singstimme mit. Sie möchte sich in ihrem brennenden Feuer nach “give me your fire” überwältigen lassen: I am waiting for you to come and burn me down, overpower me and spin me around. Just passing time with you under the trees, jumping in extasy, just beeing free. Sowie: I wanna live in my own identity – don’t wanna be a slave.

Auch die Stimme von MARTIN AUER konnte (nämlich ganz ohne Mikro und ohne instrumentale Begleitung) bis in die letzte Reihe überzeugen. Er sang zuerst zwei burgenländisch-kroatische Lieder über den Fabriksalltag um das Jahr 1900 herum (Steh ich auf so frühe, denke ich an meine Mühe, in Hornstein die Fabrik...), beide erst auf kroatisch, dann auf deutsch gesungen. Denen folgte noch ein Südstaaten-Blues aus etwa derselben Zeit.

Erstmals beim fv open mic dabei war I0 (was als I null zu lesen ist). Ein erstes, älteres Gedicht handelte u.a. vom Zurückverlangen verliehener Flügel. In einem zweiten, neueren, sagte er nichts: Und? Was und? Ich habe Angst, mich herzuzeigen. Es ist erst kurz nach halb Nacht. Bei aller Freundschaft...unser Wir steht vor der Tür. Im dritten Text beschrieb er sein Profil, in dem er erfolgreich im erfolglos sein war und kunterbunt brauchte.

ANGELA benötigte zuerst zur Aufwärmung für ihre Texte ein Tänzchen auf der Bühne. Im ersten der beiden Texte ging es um zu viel, um zu sterben, zu wenig, um zu leben. Keiner steht hinter mir und ich daneben. Vor dem zweiten Text meinte sie, ein Techno-Festl hätte ihr das Hirn weggeblasen, doch es wäre danach zurückgekommen. Der Text selber: Dornenreicher Rosenstrauch, du! Man sagt mir nach, ich hätte einen grünen Daumen.

HARRY P echauffierte sich über den Informationsmangel in den Nachrichten. Wenn es heißt, ein rücksichtloser Autofahrer hätte einen dreifachen Familienvater am Weg zur Arbeit getötet, dann fragt man sich, ob es besser gewesen wäre, wenn er einen ledigen Kinderschänder überfahren hätte. Oder ob der Autofahrer selber nicht auch dreifacher Familienvater war. In seinem zweiten Text fragte er sich, wieso mehr Menschen einen Bericht über einen Gorilla im Zoo anklicken als einen über die im Mittelmeer ersoffenen Flüchtlinge.

Last, but not least kam LIORA als letzte Teilnehmerin zu ihrer fv-open-mic-Premiere. In ihren beiden ersten Texten erklärte sie (die sie aus Vorarlberg stammt) ihre Liebe zu den Wiener Innenhöfen. Da ging es um’s Küssen und Husten (nur einmal hat jemand zurückgehustet) und die offenen Fenster als Türen zur Welt (am Balkönchen spüre ich Liebe zu diesen Wesen). Zum dritten Text, einer Liebeserklärung an Norbert Neon („Tannenwipfelessenz als Parfum“), bekam sie tanzende Bühnenunterstützung von CONNY.

Tja, damit wäre auch das Rätsel um die 16 Auftritte und 17 Auftretende gelöst. Einen weiteren potenziellen Auftretenden hätte es auch noch gegeben, doch musste er aufgrund eines plötzlichen Notfalls weg, bevor er gezogen wurde (hoffentlich geht es dem Notfall mittlerweile wieder besser!)

Wir freuen uns über das zuletzt ununterbrochen große Interesse, beim fv open mic aufzutreten. Wir lassen ja auch alle auftreten, die es wollen. Insofern entspringen jeweils 16 Auftritte 3 mal in Folge wirklich einem Zufall und keiner absichtlichen Beschränkung der Auftretendenanzahl.

Und nun warten wir voller Vorfreude etwas länger als sonst auf das nächste fv open mic. Nicht, weil jenes im Mai ausfallen würde, keine Sorge! Sondern wir werden ausnahmsweise vom dritten auf den vierten Dienstag des Monats übersiedeln. Schließlich hätte der dritte Dienstag eine Terminkollision mit einer (wohl in etwa der unseren ähnlich berühmten) Veranstaltung namens Song Contest bedeutet (bzw. dessen erstem Semifinale). Und das können wir euch doch nicht antun, wo er erstmal seit 48 Jahren wieder in Wien stattfindet!
(Naja, der eigentliche Grund für die Verschiebung um eine Woche ist eigentlich ein ganz anderer, der an dieser Stelle nicht verraten wird, weil ja im Hypo-Untersuchungsausschuss auch nicht alles verraten wird, aber die Begründung mit dem Song Contest hat ja dennoch irgendwie eine gewisse Plausibilität, oder?)

Das bedeutet: wir sehen uns erst am 26. Mai wieder, welcher aber, wie gewohnt, ein Dienstag sein wird (außer, es tritt bis dahin eine Kalenderreform in Kraft – aber das steht nicht in unserer Macht...)


Donnerstag, 19. März 2015

Gedichte, Geschlechter und Genüsse



Ob Jubiläum oder nicht – das nichtjubilarische farce vivendi open mic im März kam ebenso wie das jubilarische im Februar auf die stolze Zahl von 16 Teilnehmenden (in diese Zahl sind die beiden eisbrechenden Moderierenden noch gar nicht mal miteinberechnet). Mittlerweile ist unsere Veranstaltung so berühmt, dass auf Basis unserer Termine die Bundesregierung ihre Termine für Steuerreformbeschlüsse festlegt. Sogar der Song Contest wird in großer zeitlicher Nähe zum fv open mic stattfinden. Aber halt, da wären wir schon im Mai. Nein, bleiben wir vorerst mal im März – und zwar beim Rückblick auf den 17.3.

Das Eisbrecherorakel, diesmal eine irische 2-Euro-Münze (passend zum St.Patrick’s-Day an jenem Tag) wollte nicht auf die harfige Rückseite fallen und erklärte damit ANDI PIANKA zum ersten Eisbrecher. Dieser las zuerst ein älteres Gedicht über die Geschmacksrichtung Umami (im „& Radieschen“ Nr. 3 erschienen) und daraufhin einen neuen Text über die Schnee produzierende Großkapitalistin Frau H. (erscheint im aktuellen „& Radieschen“ Nr. 33, welches am 19.4. im Cafe Anno präsentiert werden wird).

MARTIN AUER, erstmals seit langem wieder dabei, las drei Dialoge aus seiner Gschisti-und-Gschasti-Serie. Im ersten wird man aufgefordert, sofern man für die Schwerkraft ist, sich einer Massenbewegung zu ihrer Verteidigung anzuschließen („Wer nicht für sie ist, ist gegen sie!“), im zweiten um die Notwendigkeit eines Werbebudgets, wenn man in der Masse nicht untergehen will, und im dritten möchte Gschasti nicht ausschließen, Gott zu sein. Gschisti allerdings genauso wenig.

Auch der konsequente Triptychonist GEORG HARLEKIN brachte – seiner Tradition gemäß - drei Texte. Im ersten Gedicht ging es um der Schöpfung Wellen, die auf sie folgende Stille („Still ist sie jetzt, die See der Schöpfung“) und neue Wellen, die neues Leben erwachen lassen), im zweiten um minimalistische Sichtweisen („Staube nicht, erlaub es, glaub ans Licht (...) Ich scherze nicht, ich herze dich!“) und im dritten um den Frühling, der zu neuen Ufern führt („Auf, auf, ein neuer Tag!“)

CHRISTIAN SCHREIBMÜLLER pimperte sich in seinem Text als Poet mit James-Joyce-Stick bis nach Saloniki hinunter, wo die Empfangsdamen ihn (bzw. ein gewisses Organ) aufnahmen. Dann switchte er weiter im Programm und sah dort: Bankräuber („Holla, alles in Dollar!“), Nulllohnrunde, Verunreinigte Staaten von Amerika, Persilien, Gaudi-Arabien, alle vernefft und vernichtet, Mac Bauchweh. Da fehlt nur mehr Menasse: „Das Design bestimmt das Bewusstsein“.

GERHARD wollte am Samstagabend auf ein Bier gehen, weil er am Sonntag früh aufstehen musste. Doch als er Sonntag früh verkatert aufwacht und frühstücken will, sieht er SIE: „lange Beine...fuck...sitzt da und frühstückt...kann mich nicht erinnern, sie je gesehen zu haben“. nur ihr Gesicht: Bäh! So macht er sich erstmal einen Kaffee, dann aber will er sie doch loswerden. Mit einem stumpfen Brotmesser? Oder aus dem Fenster schmeißen? Denn so menschlich, wie der Text anfangs suggeriert, ist diese Langbeinige dann doch nicht...

DIESER EMIL, erstmals beim fv open mic mit dabei, las einen Text (den er als „fast ein Essay“ ankündigt), der – von einer in der Gesellschaft verbreiteten sexistischen Metapher über Schlüssel und Schlösser ausgehend – auf die Gründe für Sexismus einzugehen versucht. Stammen Sexisten etwa aus konservativen Familien, in denen Gender für eine Gitarre gehalten wird? One-Night-Stands nach „Wodka-Bull und Plem-Plem-Machern“ erklären sich für ihn jedenfalls neurobiologisch (nämlich in Bezug auf den Orgasmus).

BARBARA SABITZER kündigte ihren Text schon vorweg als „unangenehm“ an. Es war die autobiographische Schilderung eines Autounfalls („Rumps, Bumps...mir kracht’s hier“) und dessen Folgen („nicht tot, kein Blut, nur dumpf, mein Rumpf“). Die andere schreit, sie hätte gebremst. Bei herrlichem Wetter geht es dann mit dem Hubschrauber über den Wörthersee ins UKH. Arzt: Was sagen Sie? Oje, sag ich. Doch Kunsttischlerin ist ein schöner Beruf, meint der Arzt abschließend.

THOMAS brachte einen Text mit dem Titel „Ambrosius Hoffmann sucht Nutella und findet Nutte Ella“. Nachdem sich der Zielpunkt verflüchtigt hatte, bog er links obwohl er erzogen wurde, nie vom rechten Weg abzukommen) in Richtung eines anderen Supermarktes ein (ein „Museum der Lebensmittel mit kontemporärer Ausstellung“), wo ihm zu den Produkten viele Reime einfielen. Schlussendlich fand er statt Nutella die Nutte Ella. Der Heiratsantrag wurde noch im Supermarkt positiv beantwortet.

THOMAS MAYER kam mit der kleinen Anna auf die Bühne. Es kam zu einem Unfall – ein Jammer war’s! Kleines Mädel – gespaltener Schädel! Im zweiten Text fand Herr Heidenreich auf einer Internet-Pornoseite seine Medizin studierende Tochter („Kleine Prinzessin!“) und kritisierte ihren dortigen primitiven Monolog. Im dritten Text (zu dem er meinte, man solle doch besser auf Friedhöfen heiraten) sagte der Bräutigam vor dem Altar: „Nein, lieber nicht (...) es wird sich schon wer finden“.

Es folgte...
...die Pause.

Dieser wiederum folgte MELAMAR als zweite Eisbrecherin des Abends mit 12 Kurz- und Kürzestgedichten. Beginnend mit dem poetischen Irrweg der Warteschlange Kundalini der Kaufhauskultur ging es danach u.a. um das Gedicht als Komplizen, um den Morgen als leere Seite des Tages, um die Freiheit des Frühstückseies, um das flussaufwärts durchschwimmen des Gedankenstroms, um den Schreibfluss, der zum Flussrinnsal wird, oder um die Frage, wer hier schreiben auf speiben reimt.

MARLIES THUSWALD brachte „Poetisches und anderes“. Im ersten Text wollte sie Matrosin im Kanu ihrer Träume bleiben (doch: „Hier ist kein Meer“), im zweiten flogen „strahlend grau auf blau“ zwei Schwalben aus Papier, im dritten begegnete der wilde Weinstock („Was machst du da?“) einem Kulturmenschen („Ich genieße“) – worauf der Weinstock „Ich habe schon genießt, Gesundheit!“ antwortet – und im vierten schließlich fiel die Geh-Nuss vom Baum: „Oh weh, Nuss!“

MIKE HOFER meinte, als er auf seiner Gitarre zu den ersten Takten ansetzte: „Geplant hab i no nix, i spiel einfach irgendwas“. Und als ihm der Text nicht einzufallen drohte, fiel er ihm doch noch ein. Er erzählte in seinem Lied von seiner Freundin, die ihn fasziniert: „Des is a Freindin, a guater Mensch durch und durch“. Sie wäre „fast zu guat für mich“ und „guat zu mir“. Dem folgte noch ein instrumentales Outro.

FRANZISKA SCHERZ, das erste Mal dabei, wurde in ihrem Text politisch: „Sie gröhlen schon wieder, kaum sind die Todesseufzer verstummt“. Es ging um „rührseligen“ Humanismus und die Kurzsichtigkeit für das Leid in der Welt. „Erholungsbedürftige Touristen schlendern friedlich“ als Gladiatoren der Vergnügungsindustrie. Im zweiten Text ging es traditionelle Geschlechterrollen („Frau lächelt, bringt das Essen, zieht sich aus“) und im dritten um die Zeit der Arena-Besetzung.

COSMUS kam – wie schon letztes Mal – mit Requisiten auf die Bühne (die bei uns ja – im Unterschied zu Poetry Slams – durchaus erlaubt sind), nämlich den Gedanken-Transformator „Tradilos“. In an Science Slams erinnernder Art erklärte er ihn: „Es ist nicht nichts! Es ist also schon was! (...) Denken – Gedanken – Schwingung“). Ihn mit eigenen Worten besetzen, das wäre die Basis. Nach rechts drehen würde keinen Sinn machen, eher nach links (siehe auch den Namen dieses Transformators von hinten gelesen).

KITTY, erstmals dabei bzw. überhaupt auf der Bühne, erzählte von den drei für sie schönsten Worten: „Nächster Halt: Wilhelmsburg“. Ihr Text handelte vom Schrambach-Regionalexpreß in ihrer Heimat, dem Traisental, in dem es Sitzplätze mit 70er-Jahre-Stoffmuster und mysteriöse Fenster gibt, die man schwer schließen kann. Und im Ort selber: Den Stolz, dass am Muckenkogel durch Mathias Zdarsky das Schifahren erfunden wurde, sowie einen schwarzen Pfarrer à la Don Camillo und einen roten Bürgermeister à la Peppone.

RAFAEL kam mit Gitarre und zwei Songs. Im ersten war er überaus beratungsresistent. Darin ging es um Kenntnis, Vermächtnisse, Bandscheibe, Urvertrauen, Präsidentenresidenzen, Himmel oder Hölle. Und vor allem um „hinzulegen und einfach alles hinzunehmen“. „Kapisch’? Leider nichts kapiert“. Im zweiten Song coverte er einen legendären Klassiker von Nick Cave (den er seinerzeit im Duett mit Kylie Minogue sang) ins Deutsche: „Am ersten Tag hab ich sie zu ihrem Fluss gebracht (...) Sie nannten sie die wilde Rose“.

Von Gitarre zu Gitarre ging es dann mit dem „stressresistenten“ STEFAN PETER weiter. Er erzählte zunächst von einem stressigen Tag, der einen mühsamen Amtsbesuch beinhaltet hatte. Dann sang und spielte er ein Lied zum sich „in die Mitte bringen“, in dem er schwamm („raus aus der Stadt, mitten auf’s Land“) und flog („raus aus dem Tal, mitten ins Meer“). Dann ging’s ihm gut („sternenklar kam’s dir vor“).

Den Abschluss des Abends bildete RHONDA. Das erste Gedicht war ein englischsprachiger Haiku über Geschlechteridentitäten („I hate my life, but it’s not the one way, my life hates me“), das doch noch positiv mit „I am what I am“ endet. im zweiten Gedicht tranken „the girl and the boy“ „too much beer“, doch die „love for art“ brachte beide zusammen. Im dritten, deutschsprachigen Gedicht erwies sich die wa(h)re Liebe als mehr als Besitz.

Damit ging das 51. fv open mic zu Ende. Alle Teilnehmenden konnten außer einem Freigetränk sich auch gratis Literatur mit nach Hause nehmen, wofür wir uns bei den diese zur Verfügung stellenden bedanken möchten: „& Radieschen“ aus dem Hause ALSO einerseits und Bücher aus der Edition „Das fröhliche Wohnzimmer“ andererseits.

Das war’s für diesen Winter. Das nächste fv open mic findet nämlich bereits im Frühling statt – und zwar am 21. April, am 111. Tag dieses Jahres (sowie dem 2767. Geburtstag der Stadt Rom)