Zum letzten Mal vor der Sommerpause lud das farce vivendi
open mic ins Spektakel. Und es wurde ein ganz besonders vielfältiger Abend,
was die Bandbreite der Darbietungen betraf. Zudem befanden sich auf und
unterhalb der Bühne derart viele Requisiten und Instrumente, wie das bei einem
fv open mic bislang noch kaum vorkam. Wer es versäumt hat, ist selber schuld.
Andi Pianka und Thomas Mayer gedachten bei ihren jeweiligen
Beiträgen einer gemeinsamen guten Freundin beider, Katharina Horak (dessen
zehnter Todestag sich vor kurzem jährte), indem sie vor ihren eigenen Texten
auch jeweils zwei kurze Textpassagen von ihr lasen (siehe auch weiter unten).
Nach der Eingangsmoderation und dem traditionellen Münzwurf
durfte(?)/musste(?) ANDI PIANKA als erster Eisbrecher auf die Bühne.
Nach, wie oben erwähnt, zwei Texten von Katharina Horak, in denen es um Leben,
Sinn und Heimat ging, folgte der eigene Beitrag zu einem aktuellen Thema:
Nummer 7 versinkt im Mittelmeer – es war ja das Krokodil schuld und nicht
unsere feste Festung Europa. So rette sich, wer kann. Fällt ja nicht auf in der
Statistik unserer Sadistik.
GEORG HARLEKIN wollte erste Glücksfee sein und
zog....sich selbst. Sein erster Text verarbeitete (laut Interpretation des
Autors dieser Zeilen, der damit richtig zu liegen hofft) Platos Höhlengleichnis
und Freuds Instanzenmodell: Das Ich als der bewusste Selbsttropfen bzw. der
zweite der 3 Selbsten in einem in sich abgeschlossenen Höhlensystem. Auch Amor
und sein (in einem alten Holzfass steckender) Pfeil kamen vor. Der zweite Text
handelte von einem schweigenden Malkasten, in dem jede Farbe für einen anderen
Wochentag stand.
WOLF MORRISON kam wieder einmal samt Gitarre auf die
Bühne und sang zunächst ein Liedfragment über’s gern haben und verliebt sein.
Mitten im Lied kam in einer kurzen englischsprachigen Passage auch sein
Geburtsdatum vor. Das zweite Lied befasste sich mit dem gleichen Thema wie der
Text von Andi Pianka von vorher. Es ging um die „Fremden“, die nach Überfahrt
in einem überfüllten Boot hierzulande böse Blicke ernten, während sie selber
einfach endlich in Sicherheit leben wollen.
THOMAS MAYER las, wie oben erwähnt, erst zwei Texte
von Katharina Horak, in denen es um’s Schreiben und Laufen ging. Danach folgten
drei eigene aus verschiedenen Jahren, in denen er sich mit ihrem Tod und dessen
Verarbeitung auseinandersetzte: „Irgendwann wachst du auf und hast eine
Mordswut im Bauch“, 5 Jahre später: „Habe die Kraft und einen kleinen Gott in
mir entdeckt, der leeres Papier mit Buchstaben bedeckt“. Und schließlich der
Neustart: „Ich war in der Hölle, jetzt bin ich zurück (...) Jetzt will ich
nachholen, was ich versäumt“.
NADIA BAHA las einen Text mit dem Titel
„Interventionen oder Sittenbild mit Innenministerin“ (in welchem diese 38 Deka
Heimreisezertifikate einkauft): Wer alles will, hat immer noch alle
Möglichkeiten offen, gar nichts zu wollen. Erfahrungen sammeln die anderen, ich
jage. Ruft nicht schon wieder nach Verantwortung, sie könnte euch hören! Verantwortung,
wer will das schon? Sumsumsum, die anderen bleiben stumm. Man muss die Menschen
dort abholen, wo sie sind, denkt Johanna, denkt praktisch, schenkt Zeltzubehör.
STEFAN LOTTER besingt, sich dabei auf seiner Gitarre
begleitend, seine Ex-Freundin Marina, die er ausgerechnet in der U2-Station Donaumarina(!)
kennengelernt hat. Das hat ihn dann zu eben diesem Lied inspiriert: Komm doch
mit mir, in die Donaumarina! Wir beide geh’n zusammen auf Tauchstation. Die
Sonne scheint...Ach, könntest du nur a paar Stunden bei mir sein! Mein Problem
ist, i bin planlos. Wer ned fragt, braucht si ned wundern, wenn dann nix
passiert. Komm, wir lösen den Anker und wir fahren auf und davon!
JULIA SANTINI, ebenfalls mit Gitarre, sang erstmals
einen Song auf deutsch (ihrer ehemaligen Chefin „gewidmet“): Maschine. Ecken,
Kanten sind verboten. Jeden Tag das selbe Ticktackticktack. Talente sind nicht
wichtig. Für dich zählt nur deine Sicht. Ich bin nicht dein Fußabtreter oder
deine Marionettenpuppe. Deswegen der Refrain: Denn es ist dein Leben, mein
Leben, unser Leben und ich verkaufe meine Seele nicht. Nein, nein, das mach ich
nicht. Als Drauf- & Zugabe sang und spielte sie wieder ihren Song
„Overpower me“.
JOSEF SEMELEDER und LUKAS RODHARTH waren
erstmals beim fv open mic dabei, der eine mit Kontrabass, der andere bemächtigte
sich des unterhalb der Bühne stehenden Klaviers. Da ihr Stück ein rein
instrumentales war, ist es für den Autor dieser Zeilen sehr schwer, dessen
Inhalt in Worten wiederzugeben (er könnte natürlich hier die Notenfolge
niederschreiben, was aber in diesem Blog zu viel Platz belegen würde).
Jedenfalls haben sie ein Programm namens „Kontraspass“ und treten zudem am
27.Juni in der Galerie „Die Ausstellung“ auf.
Die letzte fv-open-mic-Pause vor dem Sommer folgte.
MELAMAR war Eisbrecherin #2. Bukurie - ein in
verschiedenen südosteuropäischen Sprachen gebräuchlicher weiblicher Name - war
auch jener der Protagonistin ihres Textes bzw. Manuskriptes in Arbeit. Eine ca.
70jährige Zeitungsverkäuferin, von der ein Strahlen ausging, erzählte von ihrer
großen Familie, dem Krieg und darüber, wieso sie die anderen nicht hasst. Im
zweiten Text („I try not to cry“) starb ihr ihr Traum: Diese Wirklichkeit da
ist ne Fehlkonstruktion. Und gibt es ein Leben VOR dem Tod?
COSMUS hatte schon zuvor ein dreibeiniges Konstrukt aufgebaut,
das auf drei Beinen stand und mittendrin zwei baumelnde Dinge hatte, deren
Interpretation der Phantasie des Publikums überlassen war (wer nicht da war,
ist selber schuld!). Vor diesem las/entzifferte er selbstverfasste
Hieroglyphen, die u.a. von Freude, Zwang, Disziplin, Motivation, Mühe, Poetry
Slam, Chaos, Kunst usw. handelten, ehe sie an einem Anfang anlangten. Denn
begonnen hatte Cosmus mit den Worten: „Ich bin Cosmus. Ende. Das Experiment.“
THOMAS meinte, sein Text bedeute nichts und passe nicht
zusammen, dafür beinhaltete er Sätze aus gleich 5 Sprachen (Deutsch,
Norwegisch, Englisch, Spanisch, Französisch): Es war heiß, ich ging ins Theater
– das Stück war schlecht (worauf ein Regen folgte, er nach Hause ging, ins Bett
fiel und nach acht Stunden wieder aufstand, um nach weiteren 16 Stunden wieder
schlafenzugehen). Wir traten an der Stelle, bis sie einbrach. Wir wollten um
Verben werben. Lieber Fotos als Rehe schießen. Der Regen fiel auf deine baren
Schultern. Peut-être pronto, peut-être jamais.
ANGYAL GYULA bewunderte zunächst Cosmus’ dreibeiniges
Konstrukt. Da sah er sich als Mann. Seinen Text las er zweisprachig vor, erst
auf deutsch, dann auf ungarisch. Er trug den Titel „Hure und Winden“ und war
von einer norwegischen Black-Metal-Band inspiriert. Alle meine Schätze schmeiß
ich in den Wind. Ephemere als Ephemere Scheiße. Die größten Huren sind im
Politikerbereich. Oh, du Promiwelt, deine geschminkten Sterne strahlen. Aber
ich bleibe Anarchist. Die Verrücktheit hat mich gesegnet. Ich fresse Black
Metal.
DOMINIQUE, erstmals beim fv open mic dabei, las zwei
Gedichte. Zuerst einen „Appetizer“ zur Desorientierung: Was ist das für eine
Welt der Gestörten? Was ist, wenn es doch ein Land unter meinem Bett gibt? Über
Stock und über Stein bricht sich der Holzstock das Bein. Das zweite Gedicht
handelte von Geisterkunde: Es wird Zeiten geben, da wundere ich mich. Es wird
eine Sonne aufgehen, die wird eine Wonne sein. Wenn wir werden, wird etwas
sterben. So viel, was das Leben klont. Du Mercedes-Benz unter den gedachten
Worten.
MARTIN JUST, ebenfalls erstmals bei uns mit dabei,
verwies zunächst auf sein Theaterensemble ginA für Menschen mit besonderen
Bedürfnissen, welches am 22.Oktober auch im Spektakel auftreten wird. Er las
dann Ausschnitte aus seinen für dieses Projekt verfassten Texten: Oh
Mandelsplitter dreizehnfach. Amygdala, du Kleinod, ich weiß dich sehr zu
schätzen. Die Leit san do selber hinnig. Lästige Welt, die Nachbarn. Der
Teschek, der bin wieder i. Alles, was je geschrieben wurde, darf nicht
vernichtet werden - es wird vergessen.
Und damit ging nicht nur dieser Abend, sondern auch die
farce-vivendi-open-mic-Saison 2014/15 zu Ende. Ein großer Dank an alle
Aufgetretenen (in Summe 124 Auftritte in dieser Saison, also im Schnitt 12,4
pro Abend, wobei da die beiden EisbrecherInnen melamar und Andi Pianka noch gar
nicht erst miteinberechnet sind, und wobei Georg Harlekin und Thomas Mayer es
tatsächlich geschafft haben, bei allen 10 Open Mics dieser Saison aufzutreten –
Respekt und Hut ab!) und natürlich auch an unser Publikum sowie das Spektakel!
Wir sind guter Hoffnung, uns/euch nach der verdienten
Sommerpause im September wiederzusehen. Der genaue Termin wird euch, sobald er
wirklich feststeht, hier mitgeteilt werden (so viel sei aber schon gesagt: Die
Chance, dass es wieder der dritte Dienstag des Monats sein wird, also der
15.September, stehen derzeit nicht schlecht).
farce vivendi wünscht euch einen guten (Rutsch in den?)
Sommer!