Das farce vivendi open mic ging diesmal als Antwort
auf die gesellschaftlichen Zustände (und vieles andere mehr) in den Untergrund
– also aus dem Erdgeschoß in den (Jazz)Keller des Celeste hinunter. Die
Senkung des topographischen Niveaus führte aber zu keiner Senkung des
künstlerischen Niveaus – es war wieder einmal ein Abend mit vielen großartigen
Darbietungen.
Das Moderationsduo schritt zu Beginn wieder einmal zur
Zeremonie des Münzwurfs. Und wie meistens forderte die Münze auch diesmal
wieder ANDI PIANKA dazu auf, den Eisbrecher der ersten Hälfte zu
spielen, was er mit seiner Hommage an die Ide(e)n des Oktober und seinem ersten
dialektartigen Text (einem Schanigarten-Dialog) auch tat.
Nun kam statt der Münze das Glücksackerl an die Reihe, aus
welchem diverse Glücksfeen die Reihenfolge der Auftretenden zogen.
Den Anfang durfte die Slammerin, Neo-Studentin und
Neo-Wienerin LINA MADITA machen. Sie blieb gleich beim Dialekt, saß „eh“
ganz freundlich da, bis auf einmal ein Hendl an ihr vorbeifuhr. Und eine Gurke.
Und noch vieles mehr. Denn im Sushi-Restaurant, wo es viel zu schauen gab (oder
woin’s a wos ess’n?) drehte sich das Essen um sie selber.
Kein Unbekannter mehr beim fv open mic ist GEORG HARLEKIN:
Die malenden Künstler der Nächte („Yes, yes, no – stehlt mir nicht meine
Show!“) beamten sich voller Hunger nach Liebe zur grünen Erde, worauf die
Supernova begann. Mit seinem zweiten Text fiel er mit dem Ball in die Falle.
Und im dritten ließ er einen Glückskeks zerbröseln.
Dafür erstmals mit dabei war MISKO DOMOV. Da sein
Nachbar aufgrund eines Lottogewinns beschloß, auf Weltreise zu gehen, bat er
(bei einer gemeinsamen alkoholischen Glückseligkeit) Misko darum, auf seine
beiden Haustiere aufzupassen: Die ausgewachsene Einsamkeit und Allein – das
Auslauf brauchende Junge der Einsamkeit.
Ebenfalls seine Premiere beim fv open mic feierte SCHWANI,
der ein Origami (bzw. viele Origami-Minimi) über das Verhalten von Menschen
faltete: „Wir verhalten uns verhalten“, meinte er beim Spalten. Und die Zeit
wäre relativ, während der Wodka wenigstens absolut sei. Und so ist er längst
kein unbeschriebenes Blatt mehr.
Die erste Hälfte beendete WOLF MORRISON – wie so oft
– mit seiner Gitarre. „Leb wohl, mach’s gut!“ hieß es im ersten Lied, denn das
Leben schlagt zu in seiner vollen Härt’n. Das zweite war, wie er meinte, mehr
Lebenseinstellung als Lied und schilderte den Kampf des Unbequemen gegen die
ganze Blödheit mitsamt den Speichelleckern in dem Land.
Und nun kam die Pause.
Eisbrecherin Nr. 2 war konsequenterweise MELAMAR.
Nach einer Verortung zwischen den Stühlen folgten als zweiter Text in der
Neuronen-Supernova tapsende Synapsen ohne Allnatur. Die letzten beiden Gedichte
waren dem 2010 verstorbenen Autor ILIJA JOVANOVIĆ gewidmet (welcher in den
Anfängen des fv open mic (2007-08) an diesem öfters teilnahm) - eine Hommage an
ihn sowieso die Übersetzung seines Gedichts „Wiegenlied“.
Und nun ging es wieder in medias res: KITTI (auch
mittlerweile einige Male beim fv open mic aufgetreten) begann mit einer Ode ans
Wasser, denn „water can also be your mother“ und im Übrigen „we are 78% water.
Der zweite Text war ein persönlicher: Lost souls. Ein Kollisionskurs Richtung “madness”, denn „I
go to bed when you wake up“.
BARBARA SABITZER fing, wie es sich gehört, mit dem
ersten Text an. Dieser machte auf die Unterschiede zwischen z.B. dem tanzenden
Michael Jackson und an Schlepper viel Geld zahlende Refugees aufmerksam. Es
folgten ein Er-Sie-Beziehungsgedicht und ein Teichgedicht, in dem ein Aal a
schene Leich med ana schwoazzn Hosn fand.
Auch ein bereits erfahrener fv-open-mic-Teilnehmer ist STEFAN
PETER, der zweite Gitarrespieler des Abends. Das erste (englischsprahige)
Lied war aus einer buddhistischen Sichtweise heraus einem verstorbenen Freund
gewidmet. „Now let it go“ hieß es an dessen Ende. Dem folgte als zweites ein
rein instrumentaler „Fluß des Lebens“.
ALICE begann mit Auszügen aus einer halbstündigen
Lesung, welche sie demnächst halten wird („Es fühlt sich so an, als kenn ich
dich schon lange“), wurde allerdings sofort kurz unterbrochen (ein kurz
davor erschienener Zuschauer aus der letzten Reihe war des kultivierten
„Respect the poets!“ nicht mächtig, sah aber nach mehrfacher Rüge schlußendlich
glücklicherweise ein, in einer ihm zu niveauvollen Veranstaltung gelandet zu
sein und nahm sein Recht wahr, sie auch wieder verlassen zu dürfen). Auf
dieses Intermezzo folgte ein dialektaler „Der Neid wird dich zerfressen“-Paardialog
mitsamt einem sich (auch in der Antwort von „ihm“ vorkommenden) schwer
schriftlich wiederzugebenden „U“-Laut.
Schon quasi zum Inventar gehört der wohl häufigste aller
fv-open-mic Teilnehmer, nämlich CHRISTIAN „SCHREIBI“ SCHREIBMÜLLER. Er
brachte (nach einer Anmerkung, wonach der Gipfel der Armut Geldscheine als
Lesezeichen wären) die Ballade vom in einem eisigen Saal als Kordilliere des
Schutts lebenden Weltallrocker, der glaubte, Gott zu sein, für den es aber
außer Alkohol keine Hoffnung gab: „Heute, Jan, hab ich an dich gedacht“.
Den Abschluß bildete (die von ihrer 19 Stunden lang
angereisten Mutter begleitete) JASMIN MARIA MANUELA. Als erstes wandte
sie sich an den Wiener und dessen (keine) Kommunikation, es folgte das Biester
auspackende „Bürokratiedeutsch“. Im dritten Text schrieb sie ihre verstopfte
Seele zum Neustart nach dem Dateioverload frei und im letzten ging es um
Selbstkrieg und das Spiel des nach außen Strahlens.
Eine wieder mal sehenswerte Veranstaltung mit 11
TeilnehmerInnen (bzw. 13 mit den ModeratorInnen) ging somit zu Ende. Es wurde
danach noch gesessen, gestanden, getrunken und sich unterhalten. Das letzte verbliebene
Quartett (das Moderationsduo und zwei Auftretende des Abends) ließen den Abend
noch in einem nahegelegenen polnischen Lokal (u.a. dem Gesang von Klaus Nomi
lauschend) ausklingen.
Wir sehen uns am 19. November wieder!