Mittwoch, 16. Oktober 2013

Es ging bergab (aber nur topographisch und nicht das Niveau...)



Das farce vivendi open mic ging diesmal als Antwort auf die gesellschaftlichen Zustände (und vieles andere mehr) in den Untergrund – also aus dem Erdgeschoß in den (Jazz)Keller des Celeste hinunter. Die Senkung des topographischen Niveaus führte aber zu keiner Senkung des künstlerischen Niveaus – es war wieder einmal ein Abend mit vielen großartigen Darbietungen.

Das Moderationsduo schritt zu Beginn wieder einmal zur Zeremonie des Münzwurfs. Und wie meistens forderte die Münze auch diesmal wieder ANDI PIANKA dazu auf, den Eisbrecher der ersten Hälfte zu spielen, was er mit seiner Hommage an die Ide(e)n des Oktober und seinem ersten dialektartigen Text (einem Schanigarten-Dialog) auch tat.

Nun kam statt der Münze das Glücksackerl an die Reihe, aus welchem diverse Glücksfeen die Reihenfolge der Auftretenden zogen.
Den Anfang durfte die Slammerin, Neo-Studentin und Neo-Wienerin LINA MADITA machen. Sie blieb gleich beim Dialekt, saß „eh“ ganz freundlich da, bis auf einmal ein Hendl an ihr vorbeifuhr. Und eine Gurke. Und noch vieles mehr. Denn im Sushi-Restaurant, wo es viel zu schauen gab (oder woin’s a wos ess’n?) drehte sich das Essen um sie selber.
Kein Unbekannter mehr beim fv open mic ist GEORG HARLEKIN: Die malenden Künstler der Nächte („Yes, yes, no – stehlt mir nicht meine Show!“) beamten sich voller Hunger nach Liebe zur grünen Erde, worauf die Supernova begann. Mit seinem zweiten Text fiel er mit dem Ball in die Falle. Und im dritten ließ er einen Glückskeks zerbröseln.
Dafür erstmals mit dabei war MISKO DOMOV. Da sein Nachbar aufgrund eines Lottogewinns beschloß, auf Weltreise zu gehen, bat er (bei einer gemeinsamen alkoholischen Glückseligkeit) Misko darum, auf seine beiden Haustiere aufzupassen: Die ausgewachsene Einsamkeit und Allein – das Auslauf brauchende Junge der Einsamkeit.
Ebenfalls seine Premiere beim fv open mic feierte SCHWANI, der ein Origami (bzw. viele Origami-Minimi) über das Verhalten von Menschen faltete: „Wir verhalten uns verhalten“, meinte er beim Spalten. Und die Zeit wäre relativ, während der Wodka wenigstens absolut sei. Und so ist er längst kein unbeschriebenes Blatt mehr.
Die erste Hälfte beendete WOLF MORRISON – wie so oft – mit seiner Gitarre. „Leb wohl, mach’s gut!“ hieß es im ersten Lied, denn das Leben schlagt zu in seiner vollen Härt’n. Das zweite war, wie er meinte, mehr Lebenseinstellung als Lied und schilderte den Kampf des Unbequemen gegen die ganze Blödheit mitsamt den Speichelleckern in dem Land.

Und nun kam die Pause.

Eisbrecherin Nr. 2 war konsequenterweise MELAMAR. Nach einer Verortung zwischen den Stühlen folgten als zweiter Text in der Neuronen-Supernova tapsende Synapsen ohne Allnatur. Die letzten beiden Gedichte waren dem 2010 verstorbenen Autor ILIJA JOVANOVIĆ gewidmet (welcher in den Anfängen des fv open mic (2007-08) an diesem öfters teilnahm) - eine Hommage an ihn sowieso die Übersetzung seines Gedichts „Wiegenlied“.

Und nun ging es wieder in medias res: KITTI (auch mittlerweile einige Male beim fv open mic aufgetreten) begann mit einer Ode ans Wasser, denn „water can also be your mother“ und im Übrigen „we are 78% water. Der zweite Text war ein persönlicher: Lost souls. Ein Kollisionskurs Richtung “madness”, denn „I go to bed when you wake up“.
BARBARA SABITZER fing, wie es sich gehört, mit dem ersten Text an. Dieser machte auf die Unterschiede zwischen z.B. dem tanzenden Michael Jackson und an Schlepper viel Geld zahlende Refugees aufmerksam. Es folgten ein Er-Sie-Beziehungsgedicht und ein Teichgedicht, in dem ein Aal a schene Leich med ana schwoazzn Hosn fand.
Auch ein bereits erfahrener fv-open-mic-Teilnehmer ist STEFAN PETER, der zweite Gitarrespieler des Abends. Das erste (englischsprahige) Lied war aus einer buddhistischen Sichtweise heraus einem verstorbenen Freund gewidmet. „Now let it go“ hieß es an dessen Ende. Dem folgte als zweites ein rein instrumentaler „Fluß des Lebens“.
ALICE begann mit Auszügen aus einer halbstündigen Lesung, welche sie demnächst halten wird („Es fühlt sich so an, als kenn ich dich schon lange“), wurde allerdings sofort kurz unterbrochen (ein kurz davor erschienener Zuschauer aus der letzten Reihe war des kultivierten „Respect the poets!“ nicht mächtig, sah aber nach mehrfacher Rüge schlußendlich glücklicherweise ein, in einer ihm zu niveauvollen Veranstaltung gelandet zu sein und nahm sein Recht wahr, sie auch wieder verlassen zu dürfen). Auf dieses Intermezzo folgte ein dialektaler „Der Neid wird dich zerfressen“-Paardialog mitsamt einem sich (auch in der Antwort von „ihm“ vorkommenden) schwer schriftlich wiederzugebenden „U“-Laut.
Schon quasi zum Inventar gehört der wohl häufigste aller fv-open-mic Teilnehmer, nämlich CHRISTIAN „SCHREIBI“ SCHREIBMÜLLER. Er brachte (nach einer Anmerkung, wonach der Gipfel der Armut Geldscheine als Lesezeichen wären) die Ballade vom in einem eisigen Saal als Kordilliere des Schutts lebenden Weltallrocker, der glaubte, Gott zu sein, für den es aber außer Alkohol keine Hoffnung gab: „Heute, Jan, hab ich an dich gedacht“.
Den Abschluß bildete (die von ihrer 19 Stunden lang angereisten Mutter begleitete) JASMIN MARIA MANUELA. Als erstes wandte sie sich an den Wiener und dessen (keine) Kommunikation, es folgte das Biester auspackende „Bürokratiedeutsch“. Im dritten Text schrieb sie ihre verstopfte Seele zum Neustart nach dem Dateioverload frei und im letzten ging es um Selbstkrieg und das Spiel des nach außen Strahlens.

Eine wieder mal sehenswerte Veranstaltung mit 11 TeilnehmerInnen (bzw. 13 mit den ModeratorInnen) ging somit zu Ende. Es wurde danach noch gesessen, gestanden, getrunken und sich unterhalten. Das letzte verbliebene Quartett (das Moderationsduo und zwei Auftretende des Abends) ließen den Abend noch in einem nahegelegenen polnischen Lokal (u.a. dem Gesang von Klaus Nomi lauschend) ausklingen.

Wir sehen uns am 19. November wieder!

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