Mittwoch, 22. Januar 2014

Im neuen (Lebens)Jahr angekommen...


Das erste farce vivendi open mic des Jahres 2014 startete de iure zur neuen, früheren Beginnzeit 20:00, de facto allerdings, da sich diese noch nicht überall herumgesprochen hatte und die auftretenden/zuschauenden Menschen erst mit der Zeit ein- und zuströmten, doch etwas später (allerdings immer noch früher als zu der alten de-iure-Beginnzeit, die von nun an nicht mehr erwähnt und in Vergessenheit geraten soll – das nächste Mal werden sich dann ja hoffentlich alle an die neue gewöhnt haben....). Gut Dinge braucht Weile – und in diesem Fall hat es sich ausgezahlt: Dieses fv open mic wurde zu einem der sowohl an Auftretenden als auch an Publikümern bestbesuchtesten der jüngeren Neuzeit (das bestbesuchte seit in etwa dem Jahre 1793).

Die Münze ist ein magisches, von den Pharaonen verhextes Objekt. Sie fällt (auch wenn sie diesmal ausnahmsweise nicht von ihm selber mitgebracht wurde) immer auf genau die Seite, die ANDI PIANKA nicht will. So mußte dieser arme Co-Moderator zum wohl mittlerweile 999. Male den ersten Eisbrecher spielen. Er tat es mit einem Medley aus seinen Texten, mit dem er schon vor einigen Jahren etwa bei einer Veranstaltung der "jungen literaturwerkstatt wien" im Literaturhaus, beim ersten Scheibbser Poetry Slam oder bei der Internationalen Slam-Revue in Berlin (hinter dem Link verbirgt sich der youtube-Link zu jenem Auftritt von Andi Pianka mit jenem Text ;-)) aufgetreten war, und erklärte damit die Bühne für eröffnet.

Erstmalig beim nun eröffneten fv open mic dabei und gleich als erste (Andi Pianka war ja der nullte) auftreten durfte JONO. Sie sang zwei kritische/nachdenkliche Lieder. Zuerst über den falschen „Hausverstand“, der immer daran erinnert, nicht auf’s Konsumieren zu vergessen. Denn: „Konsum macht dich glücklich, Konsum gibt dir Kraft“. So viel Genuß darf doch noch sein. Das zweite Lied beinhaltete ein nicht ganz jugendfreies, aber in dem Fall durchaus nicht unangebrachtes Vokabular („Ich find dich scheiße (...) Fuck you!“). Wie fühlt es sich an, wenn mensch stets weiß, was wie wo geht und was mensch so liket? Das ist nicht g’sund, ich will hier aussteigen. Sozialer Zwang. Will hier raus und bin raus. Ein gewisses „soziales“ Netzwerk war gemeint (erste Silbe fängt mit f an, zweite mit b, mehr sei an dieser Stelle nicht verraten – Anmerkung des Autors dieser Zeilen).

Der zweite Auftretende wird vom Autor dieser Zeilen sehr wohl verraten – es war einer unserer mittlerweiligen fv-open-mic-„Stammmenschen“ (und zusätzlich auch bekennender Stammleser dieses unseres Blogs hier), nämlich GEORG HARLEKIN, der seine Drei-Gedichte-Tradition auch diesmal wieder fortsetzte. Liebe möchte atmen, kommen, gehen, dich sehen, mit dir schlafen, wachen... Und noch vieles mehr. Liebe liebt einfach Musik. Liebe gibt mit Liebe Liebe. Im zweiten Gedicht ging es um Mandelhonig, Olivenöl und deinen rötlichen Erdbeermund. Welcher Geist ist es denn? IM abschließenden Text hat er alles bereits gefunden, nur noch nicht den Götterfunken. Das Reine. Pure Liebe Götterfunken. Wozu das alles? A stupid game?

Numero drei in diesem ganz unstupiden Game war dann ARTURO UI (letztes Mal nannte er sich noch anders, aber das war einmal vor langer, langer Zeit – vielleicht gar noch unter Bertolt Brecht...?). Er fühlt sich von Mike (zu ihm kommen wir dann später) inspiriert. Er sieht die Welt als ein männlich dominiertes System. Die Männer kämpfen um dies und das. Das einzige aber, worauf sich alle Männer einigen können, ist die Liebe zum Busen. Deswegen sang er das Busenlied: Da wird gleich der Papst („Hätt ich zwei Busen, wär ich kein Papst mehr“) zum Busenbussibär. Da stehen Tungusen, Awaren oder Tataren auf lauter Busen. Und die Langobarden-Frauen waren sowieso kolossal verbust. Da wird man mal schon zum Professor für vergleichende Busologie. Der zweite Song war nicht von ihm, aber das ist beim fv open mic durchaus erlaubt. Es war „Space Oddity“ von David Bowie.

Dann kam zwar nicht David Bowie, aber immerhin JOPA mit einem Dramolett, in dem der Schaum mit Hut („Idna“) und die Prinzessin („Apoj“) die Hauptrollen spielten und der...ähm...tja, sehr viele Anspielungen auf Texte des Autors dieser Zeilen enthielt. Bsssssssssss? Ich suche das Hotel zum kleinen Schaum, ich habe dort nämlich ein Zimmer im 13. Stock gebucht. Es folgten so manche Zitate aus Liedern von Element of Crime. Die Hauptperson aus Godwin’s Law kam auch vor, wurde allerdings von Idna unter dem Dank der Menschheit mehrmals getötet. Die Wurstkarte war wurst, die Pizzakarte war bizarr. Und die Würgerkarte? Julian wollte einen Witz erzählen, El Awadalla pinkelte einem Polizisten ans Bein, Senffaß und Faß mit Russen warteten auf Godot bzw. Franzobel. Passant mit Hund sackerlte ein Gackerl, Passant mit Bart rasierte sich („Schreibi: Ich habe einen Bart“) und Bebraham drehte sich einen Ofen. Ich wollte einen Riot ohne Bussi machen, stattdessen machte ich einen Slam ohne Bimi. Riot Bus Bim Slam Anker Pi. burt pri ank za woll pi bla hau lt bld prm z z.

Auf burt pri ank za woll pi bla hau lt bld prm z z folgte nun der schon seit den alten Werk-Tagen des fv open mic nicht mehr mit dabei gewesene SAMUEL. Er brachte ein doppeltes italienisches Sonett über den Hot Dog zum besten. Am Würstelstand: Hunger brach mir den Verstand. Senf und Ketchup zum Ersaufen. Das Publikum bekam noch viele weitere Details zu diesem mißglückten Hot-Dog-Kauf an einem Würstelstand in Wien (den der Autor des Textes auch konkret erwähnte, aber vom Autor dieser Zeilen unerwähnt belassen wird) zu hören. Die Tragödie fand in der Straßenbahn ihren ultimativen Höhepunkt: „Der Senf tropfte auf meine weißen Schuh“. Und die Moral von der Geschicht’: Kaufe bei dem Würschtler nicht.

Es ging nun schon Richtung Pause, aber davor trat noch ein weiterer nicht Würschtler, sondern „Stammmensch“ des fv open mic samt Requisit/Instrument (bei uns ja im Unterschied zu Poetry Slams erlaubt) auf. Es handelt sich um WOLF MORRISON und (wie so meist) seine Gitarre. In einem ersten Lied meinte er: „Tua ma bitte ned weh und halt mi ned am Schmäh“ (der der Dialektschreibung ziemlich unkundige Autor dieser Zeilen schreibt das mal so auf). „Bist grantig? Da kann i nichts dafür“. Das zweite Lied handelte von einer Person namens Julia: „Du bist wia a Sonnenstrahl an a Regentag“ bzw. „Wann du lachst, dann lacht die ganze Welt“. Einige Passagen dieses Liedes gab es dann auch in englischer Fassung.

Und dann ward PAUSE - abgesehen von einem kleinen Ständchen kurz davor (da hatte offenbar irgendwer Geburtstag an dem Tag...), aber das ist eine andere Geschichte...

So, das Eisbrechertum ging nach der Pause mit der zuvor von Tutanchamun münzbeglückten fv-open-mic-Erfinderin/-Gründerin MELAMAR weiter. Ein kleiner Wurm im Elfenbeinturm machte sich Gedanken, die sich in Reime fassen lassen. Tourette-Synrom? Ich bin nicht dumm. Rosamunde studiert Altertumskunde, Sigismund liebt die blinde Gerlinde und Raimund mit seinem Hirtenhund beim Schäferstündchen...womöglich mit Amanda auf der Veranda. Bob hingegen ist mehr wie Hiob. Und überhaupt erst ein urbaner Marokkaner. Der schenkt ihr reinen Reim ein – anachronistisch reimfetischistisch.

Auf das zweite Eisbrechertum folgte die zweite Hälfte, die durchaus reine Reime (und keine Schäferstündchen, sondern vollste Aufmerksamkeit beim Publikum) bot und die mit MIKE begann. Er meinte, die Musik als Frequenz wäre unterschätzt. Sie hätte eine positive Beeinflussung und „wir hätten eine Riesengaudi“, wenn Musik die Rolle von G20-Gipfeln und ähnlichem übernehmen würde. Er begann mit einer neuen/besseren Version des Liedes, das er letztes Mal dargeboten hatte, wo es um „laws and orders“, den „sick planet“, aber eben doch positiverweise um „feeling, harmony, good songs“ ging. Um love & peace. Dem folgte ein (Mutmaßung des Autors dieser Zeilen) spontanes(?) Lied über sein Ego, das ihn immer wieder stört.

Die nächste Autorin gibt ihren Egos viele Namen, diesmal trat sie als MICHAELA ERLE auf. Kurze, performative Texte bildeten ihren Auftritt. Ein Spruch, ein Bruch, Beinbruch. Aber Holla, Stützgewebe! „Ich bin ein Puffer ohne Kartoffeln (...) bin dazwischen (...) zerstreue mich, zerstreusle mich (...) bin Spurensucherin“. Im zweiten Text war sie dann ein Tausendsassa, ein Hundertsassa, ein Bienenfresser, ein Hundertwasser, der Dunst produziert. Im dritten der „common sense“ (mit ausgesprochenem e bei „sense“!). Mit alles drüber. Macht alles gleich. Mit dir auch deinen Golfrasen glatt. Und in den vierten Text durfte schließlich vom Publikum „interveniert“ werden: Ein Mitmachtext, bei dem die Art des Mitmachens vom Publikum völlig frei gewählt werden konnte (und auch dementsprechend gewählt wurde). Es ging jedenfalls um den Errrnst. Und das meine ich jetzt errrnst. Das ist der Errrnst des Lebens. Oh Errrnst: Errrnsthaft!

Nun ging es weiter mit dem errrnsthaften WALTER EGON, der dem Publikum ein „Attentat“ anbot. Er bereitet sich nämlich grad auf den von Diana Köhle diesen Freitag organisierten Singer-Songwriter-Slam vor und hat um die 50 Lieder parat. Welches davon soll er wählen? Da muß das Publikum entscheiden. Eh nicht zwischen allen fünfzig, sondern zwischen dreien. Soll es a) um die Friedensbringung anstatt des ewigen Suchens und Kämpfens gehen oder b) um das Lächeln im Regen („Crowd of people always questioning’“) oder c) doch um ein Ikea-artiges Mitmach-Selbstbaulied mit special effects und dem Refrain „shubshubshubidubidubdua“ (Versuch einer lautgetreuen Wiedergabe des Refrains durch den Autor dieser Zeilen)? Tja, liebes Publikum, nun dürft ihr euch entscheiden...

...aber bitte auch nicht allzulange, denn gleich kommt eine der wohl ältesten TeilnehmerInnen der fv-open-mic-Geschichte, aber gleichzeitig sehr junggebliebene LORE MURBACHER auf die Bühne – nach u.a. einigen Auftritten beim Slam B diesmal erstmals als Liedermacherin auftretend. Das erste Lied sah das Alter bzw. „alte“ Menschen, als solche, die durchaus Spaß haben, wehrte sich aber auch andererseits gegen veraltete erzwungene Zwangsbräuche („Gib der Oma a Busserl!“). Das zweite Lied war dem türkischen Friseur mit seinen sechs Kindern gewidmet, der diesmal keinen Tee zum schlafen können gibt. Den Schluß ihres Auftritts bildete das Straßenbahnlied („In den Kurven lan i mi fest an“). Von Hietzing bis Praterstern schlängelt sie sich durch alle Kurven – samt sämtlichen Gestalten, die ihr den Platz anbieten bzw. umfliegen, sodaß sie am Ende doch noch einen Platz ergattert.

Den letzten Startplatz ergattert hat diesmal MRIRI, der mittlerweile nicht ganz unbekannte Kurztexte-Slammer, der mit Witzen anfing: Erst schmeckte Einstein sein Steak nicht („Iiih, Kuh!“), dann wurden in Italien Fäkalien gefunden – der DNA-Test ergab, daß es sich um den Da-Vinci-Kot handelt. Pensionisten wurden mit Erdbeeren gekreuzt, der Großvater war ein Metzger, nur der Romananfang klappte nicht so recht: Dem haargefärbten Kiffer wurde sein Kopf leer. Ohne sein Gehirn wäre er aber sowieso tot. Beim Nachdenken kommt man nämlich drauf: Planeten, Kosmos – alles unwichtig. Die erste Liebesgeschichte war ein Annäherungsversuch: „Ich setz mich neben sie – Fortsetzung folgt“. Die zweite spielte unter der Decke und beinhaltete so manche Extremitäten. Und zum Abschluß wurde dem Nestroyplatz das N durch ein D ersetzt.

Welcher Platz es denn nun auch ist – eines steht fest: Das nächste farce vivendi open mic erleben wir gemeinsam am 18. Februar ab 20:00. So traget diese Botschaft in die große weite Welt und vor allem in eure Kalender ein! Denn dieses fv open mic wird ein ganz besonderes:
- 7 Jahre farce vivendi open mic (Na ja, mit einer kleinen statistischen Standardabweichung von 2 Tagen gegenüber dem allerersten fv open mic, was aber innerhalb der Toleranzgrenze liegt)!
- Es wird das 40. fv open mic sein!
- Es wird das 40. von melamar organisierte und moderierte fv open mic sein!
- Es wird das 20. vom Autor dieser Zeilen mitorganisierte/mitmoderierte fv open mic sein!
- Es wird das 11. (Doppel-Einser!) fv open mic im Celeste sein!
- Es wird der 83. Geburtstag der Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison sein, der 82. von Miloš Forman, der 81. von Yoko Ono, der 76. von István Szabó, der 60. von John Travolta, der 50. von Matt Dillon und der 43. von Jimmy Kelly! Das müssen wir auf jeden Fall feiern...
- Es wird der 559. Todestag von Fra Angelico sein (über den der Autor dieser Zeilen in der sechsten Klasse AHS mal ein Referat halten mußte), der 468. von Martin Luther, der 450. von Michelangelo, der 427. von Maria Stuart und der 207. von Marie Sophie von La Roche!
- Es wird der Nationalfeiertag von Gambia sein!
Also wenn das alles für euch keine fundamentalen Gründe sind, um zum nächsten farce vivendi open mic zu kommen, dann versteh ich die Welt echt nimmer. Bis zum 18. Februar also!

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