melamar & Andi Pianka |
10 Jahre wird man auch nicht alle Tage,
sondern nur einmal im Leben. Das gehört natürlich ordentlich
gefeiert, damit der Tag zur Nacht wird und die Nacht zum Tag. Den
Ehrenschutz über diese Festivität übernahm niemand geringerer als
Johann Wolfgang von Goethe, somit luden wir in den nach dem
Dichterfürsten benannten Hof in Wien Kaisermühlen, also (da
scheiden sich die Geister, die wir riefen) - je nach Standpunkt -
erstmalig entweder dies- oder jenseits der Donau. Ins Werkl in der
Schüttaustraße, welche keine Schüttausstraße ist, da wir ja nicht
das Bad mit dem Kinde ausschütten wollen, wo das Gänsehäufel doch
so nah ist...
Doch bevor der Autor dieser Zeilen
unnötig ausschweift, wird es nun an der Zeit, den Geburtstagsabend
Revue passieren zu lassen:
Da die (selbstverständlich 2007
geprägte) Münze auf Kopf fiel, machte ANDI PIANKA den ersten
Eisbrecher. Er geburtstagstortete mit seinem Text (auch aktuell)
politisch mit einer Huldigung des Wortes, in der auch so manche
Anspielungen auf das fv Open Mic (z.B. all seine bisherigen
Locations) versteckt waren.
Als Startnummer 1 gezogen wurde
Gastgeberin DORIS NUSSBAUMER vom Werkl, die bereits am Anfang
der Veranstaltung einleitende Worte gesprochen hatte. Sie las ihren
Beitrag für die Anthologie "Wir sind Frauen. Wir sind viele.
Wir haben die Schnauze voll!", welche am 3.März um 19h im Werkl
präsentiert wird. In ihrem Dialekttext ging es um die
unterschiedlichen gesellschaftlichen Bewertungen der gleichen Dinge
in Abhängigkeit davon, ob sie Männer oder Frauen machen.
Ihr folgte dann mit THOMAS MAYER
ein fv-Stammgast. Seine erste Geschichte handelte von einem skurrilen
Supermarktbesuch. Da er im von ihm gekauften Vogerlsalat keinen Vogel
fand, ging er wieder in den Supermarkt zurück, um sich zu
beschweren, wurde aber leider nicht ernst genommen. Im zweiten Text
fragte er sich, wieso ihm alle den Ratschlag geben würden, doch so
wie Thomas Brezina zu schreiben. Und er kam drauf: Weil sie sonst
keinen anderen Autor kennen würden...
ANGYAL GYULA machte zuerst auf
sein eigenes "geiles" T-Shirt und dann auf eines einer
Person aus dem Publikum aufmerksam. Er outete sich als Fan der Band
"Oceano". In seinem (unter Einsatz des ganzen Körpers
erst in der deutschen Übersetzung, dann im ungarischen Original
vorgetragenen) Gedicht war "garabonciás diák", also der
"garabonzische Lehrling" (ein Zauberei-Student aus dem
ungarischen Volksglauben) die Hauptfigur.
Es folgte die extra aus dem Mostviertel
bzw. konkret dem Erlauftal angereiste MILENA (nicht zu
verwechseln mit dem gleichnamigen Verlag, mit dem sie nichts zu tun
hat). Sie las fünf Gedichte, von denen einige sehr persönlich
waren, andere auch gesellschaftskritische Aspekte beinhalteten (bzw.
manche beides miteinander verknüpft). Da ging es um
Haus-/Friedensdrachen (nicht der einzige Drachentext an jenem Abend),
Demokratie, Magie, Satzsprache zum Erbrechen und zache Tage.
ELFIE RESCH, so wie die erste
Auftretende dem Werkl-Team zugehörig, brachte einen
autobiographischen Text über Mehrsprachigkeit. Mit 14 wechselte sie
die Schule - von Baden nach Wien, wo sie dann mehr Freiraum hatte.
Dort unterhielten sich zwei Mitschülerinnen aus Hornstein im
Burgenland immer auf kroatisch, was sie zur Frage führte, wieso sie
in der Schule das geographisch viel entferntere Englisch lernt. Und
sie ging auch auf die lange Benachteiligung burgenländischer Roma
ein.
GEORG HARLEKIN ist zuletzt der
treueste/häufigste Auftretende des fv Open Mic gewesen (siehe auch
den Statistikteil weiter unten). Er kündigte zuerst ein baldiges
zweites Buch von ihm an. Danach wurde "Mister Triptychon"
seiner Tradition wieder einmal gerecht und las.........drei Texte,
die im für sich allein stehenden Moment begannen, danach für
lichtvolle Ketten sorgten und mit einem Seelengang endeten.
Nun wurden JENNIFER TOUGH &
FRANK OZ gezogen - ein Duo aus Wien Margareten. Wie viele
Personen dann tatsächlich auf der Bühne standen, wird an dieser
Stelle nicht verraten ;-) Erst gab es eine Coverversion des
Creedence-Clearwater-Songs "Bad Moon Rising" zu hören, der
mit "Die Zeit rennt" angekündigt wurde. Danach coverte
Frank Oz sich selbst, nämlich ein am Karlsplatz entstandenes Lied:
This Life.
Nach diesem musikalischen Beitrag ging
es dann wieder literarisch weiter. Es folgte FRANZISKA SCHERZ
mit drei Texten, die zwischenmenschliche Begegnungen zum Thema
hatten. Erst traf sie sich in einem Künstlerbeisl mit Yasemin. Der
zweite Text befasste sich mit Abschied nehmen und von der abwesenden
Person träumen. Der dritte hatte die zwischenmenschliche Wärme zum
Thema.
NIKI-TA, eine häufige
Teilnehmerin der Anfangszeit des fv Open Mic in der Feile, brachte -
passend zum 10-Jahres-Jubiläum - zunächst einen Text, den sie 2007
geschrieben hat. Flut - Wut - Mut, so hieß es darin. Es folgten zwei
weit neuere ihrer Kolumnen aus der Literaturzeitschrift
"&Radieschen..." zu den Themen "Lach & Sach"
bzw. "Dach & Fach", letztere davon sich mit dem Thema
Schule auseinandersetzend.
Die erste Hälfte wurde dann von MIKE
HOFER beschlossen, welcher zum Einstieg meinte, er hätte die
letzten 14 Monate an seiner Technik gefeilt und dadurch vielleicht
manche Texte vergessen. Trotzdem ging der erste Song ("Word and
Hand") ohne Textverlust über die Bühne. Beim zweiten
("Destination") kam es dann aber zu einer spontanen
Improvisation.
Nun war es Zeit für eine Pause.
Nach der Pause brach dann erstmal
MELAMAR das Eis (entzwei?). Ein Siebenzeiler über
(Un?)Menschlichkeit im Mittelmeer machte den Anfang. Dann war ihre
Timeline dran, in der sie über die von ihr verfolgten und geteilten
Nachrichten sinnierte. Der dritte und längste Text hieß
"Stolpersteine meines Lebens" und erzählte vom Widerspruch
zwischen ihrem schreiberischen Leben und dem "normalen"
Leben anderer.
Da es langsam auf 22 Uhr zuging und ab da lautere Auftritte im Werkl nicht mehr möglich sind, wurde beschlossen, die noch auf der Liste stehenden MusikerInnen vorzuziehen. Erst kam JULIA SANTINI an die Reihe. An der einen Gitarre von sich selber, an der anderen von PATRICK WURZER begleitet, sang sie ihr Lied "Brenn mich nieder", das sie mit den Worten "Es geht um Sex" ankündigte.
Dem folgte ein Doppelauftritt von
CLAUDIA & STEFAN. Erst las Claudia drei ihrer Gedichte mit
den Titeln "Atmen", "Manchmal" und "Fetzenflug",
die vom sich kraftlos und unsicher fühlen, aber perfekt
funktionieren müssen handelten. Dann übergab sie an Stefan, dessen
Lied "Lisa find zu dir" thematisch an Claudias Gedichte
anschloss.
Nun war es exakt 22 Uhr geworden. Für
die letzten (nur mehr literarischen) Auftritte wurden die Mikros
leiser gedreht und das Publikum gebeten, seinen Beifall mittels des
lautlosen Gebärdensprache-Applaus kundzutun. Als nächster an die
Reihe kam dann WOLFGANG E. EIGENSINN, ein Stammgast schon seit
den fv-Zeiten in der Feile. Er las einen gesellschaftskritischen Text
unter dem Titel "Illusionen sind denkbar".
MICHAELA HINTERLEITNER kann auch
ohne Mikro durchaus laut hörbar sein, wie sie bei ihrem zweiten Text
"Ernst" (einem Publikumsbeteiligungstext) bewies. Das
Publikum durfte assoziativ hineinrufen, was ihm zu "Ernst"
einfiel. Davor hatte sie einen in einem Pub-Gastgarten geschriebenen
Text vorgetragen, der von einem Schattenwal handelte bzw. von der
Trennung zwischen dem Schatten und dem Ich.
MARIA LAKSHMI kündigte ihre
Texte als "Vintage-Texte" an. Sie begann mit einem Traum
von 1995 über eine Flussüberquerung, an der seltsame
geschlechtslose Wesen leben. Ihr zweiter Text war eine Erinnerung an
einen Aufenthalt an der Côte
d'Azur, ebenfalls in den 90er Jahren. Es folgte ein Drachengedicht
über den Drachen Dagobert. Einen weiteren Drachentext konnte sie
nicht finden und versprach ihn für's nächste Mal.
Auf Deutsch, Ungarisch und Englisch
folgte mit der nächsten Auftretenden die vierte Sprache des Abends,
nämlich Spanisch. TANIA LEODOLTER las Gedichte, die von
Regenbogen, Dämmerung, Sonnenuntergang, dem Tag und der Nacht
handelten. Zu diesen Gedichten gibt es auch deutsche Übersetzungen
von ihr, die aber nicht die Autorin selber vortrug, sondern diesen
Part MELAMAR überließ.
Und nun näherte sich die Veranstaltung
ihrem Ende. Nur noch ein Teilnehmer stand auf der Liste, nämlich IO,
der den Abend mit drei Texten beschloss. Der erste, anarchistisch
angehauchte, beinhaltete das Motto "Mein Schwert ist der Stift".
Die beiden anderen gingen von einem fragenden Gegenüber aus ("Du
fragst mich, was ist..." bzw. "Du fragst, brauchst du
was...").
Damit war der künstlerische Teil des
Abends zu Ende und es ging mit dem noch sehr langen geselligen Teil
weiter. Wie gut, dass es Nacht-U-Bahnen gibt... ;-)
Und zum Abschluss noch ein wenig
Statistik:
Dies war das 60. farce vivendi Open
Mic. Die ersten 20 davon (19 x in der Feile, 1 x in der Lab Factory)
wurden von melamar alleine organisiert und moderiert. Die
folgenden 40 (1 x Arena Beisl, 9 x Das Werk, 16 x Celeste, 13 x
Spektakel, 1 x Werkl im Goethehof) gemeinsam mit Andi Pianka
im Duett.
Bei den bisherigen 60 Veranstaltungen
traten insgesamt über 200 verschiedene Personen auf, insgesamt gab
es über 600 Auftritte (also im Schnitt ist jede Person ca. 3 mal
aufgetreten).
Am häufigsten aufgetreten bei den 60
Veranstaltungen (leider ist zu einer davon die Teilnehmerliste
verlorengegangen, also dies anhand von 59 der 60 Abende) sind
Christian Schreibmüller mit 35 Teilnahmen, gefolgt von Georg
Harlekin mit 26 und Wolf Morrison mit 25. Georg Harlekin hält dafür
den Rekord an Teilnahmen in ununterbrochener Reihenfolge - mit diesem
fv open mic waren es 16 Auftritte hintereinander ohne eine einzige
Pause :-)
Frank Oz & Jazmin del Campo |
Zu hören gab es bei uns bereits
Beiträge auf Deutsch, Englisch, Spanisch, Romani, Serbisch,
Ungarisch, Französisch, Italienisch, Arabisch, Norwegisch,
Schwedisch, Litauisch (bitte um Verzeihung, falls ich auf eine
Sprache vergessen habe!).
Und falls wen die Teilnehmerliste des
allerersten fv Open Mic am 16.02.2007 interessiert (moderiert hat
damals in der Feile melamar): Christian Schreibmüller, Andi Pianka,
Peter Paul Plötzlich, Ilija Jovanović, Thomas Havlik, Arlene Ang, Michi Gabriel, Peter Gutjahr
Wie es mit farce-vivendi-Veranstaltungen heuer weitergeht - hier
werdet Ihr darüber informiert.
Der Autor dieser Zeilen bittet um Verzeihung darum,
dass es diesmal mit dem Bericht etwas länger gedauert hat als
üblich. Aber ja, nun ist er da :-)
Fotos: Georg Harlekin
Fotos: Georg Harlekin
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