Mittwoch, 17. Juni 2015

Konstrukte, Requisiten & Instrumente



Zum letzten Mal vor der Sommerpause lud das farce vivendi open mic ins Spektakel. Und es wurde ein ganz besonders vielfältiger Abend, was die Bandbreite der Darbietungen betraf. Zudem befanden sich auf und unterhalb der Bühne derart viele Requisiten und Instrumente, wie das bei einem fv open mic bislang noch kaum vorkam. Wer es versäumt hat, ist selber schuld.

Andi Pianka und Thomas Mayer gedachten bei ihren jeweiligen Beiträgen einer gemeinsamen guten Freundin beider, Katharina Horak (dessen zehnter Todestag sich vor kurzem jährte), indem sie vor ihren eigenen Texten auch jeweils zwei kurze Textpassagen von ihr lasen (siehe auch weiter unten).

Nach der Eingangsmoderation und dem traditionellen Münzwurf durfte(?)/musste(?) ANDI PIANKA als erster Eisbrecher auf die Bühne. Nach, wie oben erwähnt, zwei Texten von Katharina Horak, in denen es um Leben, Sinn und Heimat ging, folgte der eigene Beitrag zu einem aktuellen Thema: Nummer 7 versinkt im Mittelmeer – es war ja das Krokodil schuld und nicht unsere feste Festung Europa. So rette sich, wer kann. Fällt ja nicht auf in der Statistik unserer Sadistik.

GEORG HARLEKIN wollte erste Glücksfee sein und zog....sich selbst. Sein erster Text verarbeitete (laut Interpretation des Autors dieser Zeilen, der damit richtig zu liegen hofft) Platos Höhlengleichnis und Freuds Instanzenmodell: Das Ich als der bewusste Selbsttropfen bzw. der zweite der 3 Selbsten in einem in sich abgeschlossenen Höhlensystem. Auch Amor und sein (in einem alten Holzfass steckender) Pfeil kamen vor. Der zweite Text handelte von einem schweigenden Malkasten, in dem jede Farbe für einen anderen Wochentag stand.

WOLF MORRISON kam wieder einmal samt Gitarre auf die Bühne und sang zunächst ein Liedfragment über’s gern haben und verliebt sein. Mitten im Lied kam in einer kurzen englischsprachigen Passage auch sein Geburtsdatum vor. Das zweite Lied befasste sich mit dem gleichen Thema wie der Text von Andi Pianka von vorher. Es ging um die „Fremden“, die nach Überfahrt in einem überfüllten Boot hierzulande böse Blicke ernten, während sie selber einfach endlich in Sicherheit leben wollen.

THOMAS MAYER las, wie oben erwähnt, erst zwei Texte von Katharina Horak, in denen es um’s Schreiben und Laufen ging. Danach folgten drei eigene aus verschiedenen Jahren, in denen er sich mit ihrem Tod und dessen Verarbeitung auseinandersetzte: „Irgendwann wachst du auf und hast eine Mordswut im Bauch“, 5 Jahre später: „Habe die Kraft und einen kleinen Gott in mir entdeckt, der leeres Papier mit Buchstaben bedeckt“. Und schließlich der Neustart: „Ich war in der Hölle, jetzt bin ich zurück (...) Jetzt will ich nachholen, was ich versäumt“.

NADIA BAHA las einen Text mit dem Titel „Interventionen oder Sittenbild mit Innenministerin“ (in welchem diese 38 Deka Heimreisezertifikate einkauft): Wer alles will, hat immer noch alle Möglichkeiten offen, gar nichts zu wollen. Erfahrungen sammeln die anderen, ich jage. Ruft nicht schon wieder nach Verantwortung, sie könnte euch hören! Verantwortung, wer will das schon? Sumsumsum, die anderen bleiben stumm. Man muss die Menschen dort abholen, wo sie sind, denkt Johanna, denkt praktisch, schenkt Zeltzubehör.

STEFAN LOTTER besingt, sich dabei auf seiner Gitarre begleitend, seine Ex-Freundin Marina, die er ausgerechnet in der U2-Station Donaumarina(!) kennengelernt hat. Das hat ihn dann zu eben diesem Lied inspiriert: Komm doch mit mir, in die Donaumarina! Wir beide geh’n zusammen auf Tauchstation. Die Sonne scheint...Ach, könntest du nur a paar Stunden bei mir sein! Mein Problem ist, i bin planlos. Wer ned fragt, braucht si ned wundern, wenn dann nix passiert. Komm, wir lösen den Anker und wir fahren auf und davon!

JULIA SANTINI, ebenfalls mit Gitarre, sang erstmals einen Song auf deutsch (ihrer ehemaligen Chefin „gewidmet“): Maschine. Ecken, Kanten sind verboten. Jeden Tag das selbe Ticktackticktack. Talente sind nicht wichtig. Für dich zählt nur deine Sicht. Ich bin nicht dein Fußabtreter oder deine Marionettenpuppe. Deswegen der Refrain: Denn es ist dein Leben, mein Leben, unser Leben und ich verkaufe meine Seele nicht. Nein, nein, das mach ich nicht. Als Drauf- & Zugabe sang und spielte sie wieder ihren Song „Overpower me“.

JOSEF SEMELEDER und LUKAS RODHARTH waren erstmals beim fv open mic dabei, der eine mit Kontrabass, der andere bemächtigte sich des unterhalb der Bühne stehenden Klaviers. Da ihr Stück ein rein instrumentales war, ist es für den Autor dieser Zeilen sehr schwer, dessen Inhalt in Worten wiederzugeben (er könnte natürlich hier die Notenfolge niederschreiben, was aber in diesem Blog zu viel Platz belegen würde). Jedenfalls haben sie ein Programm namens „Kontraspass“ und treten zudem am 27.Juni in der Galerie „Die Ausstellung“ auf.

Die letzte fv-open-mic-Pause vor dem Sommer folgte.

MELAMAR war Eisbrecherin #2. Bukurie - ein in verschiedenen südosteuropäischen Sprachen gebräuchlicher weiblicher Name - war auch jener der Protagonistin ihres Textes bzw. Manuskriptes in Arbeit. Eine ca. 70jährige Zeitungsverkäuferin, von der ein Strahlen ausging, erzählte von ihrer großen Familie, dem Krieg und darüber, wieso sie die anderen nicht hasst. Im zweiten Text („I try not to cry“) starb ihr ihr Traum: Diese Wirklichkeit da ist ne Fehlkonstruktion. Und gibt es ein Leben VOR dem Tod?

COSMUS hatte schon zuvor ein dreibeiniges Konstrukt aufgebaut, das auf drei Beinen stand und mittendrin zwei baumelnde Dinge hatte, deren Interpretation der Phantasie des Publikums überlassen war (wer nicht da war, ist selber schuld!). Vor diesem las/entzifferte er selbstverfasste Hieroglyphen, die u.a. von Freude, Zwang, Disziplin, Motivation, Mühe, Poetry Slam, Chaos, Kunst usw. handelten, ehe sie an einem Anfang anlangten. Denn begonnen hatte Cosmus mit den Worten: „Ich bin Cosmus. Ende. Das Experiment.“

THOMAS meinte, sein Text bedeute nichts und passe nicht zusammen, dafür beinhaltete er Sätze aus gleich 5 Sprachen (Deutsch, Norwegisch, Englisch, Spanisch, Französisch): Es war heiß, ich ging ins Theater – das Stück war schlecht (worauf ein Regen folgte, er nach Hause ging, ins Bett fiel und nach acht Stunden wieder aufstand, um nach weiteren 16 Stunden wieder schlafenzugehen). Wir traten an der Stelle, bis sie einbrach. Wir wollten um Verben werben. Lieber Fotos als Rehe schießen. Der Regen fiel auf deine baren Schultern. Peut-être pronto, peut-être jamais.

ANGYAL GYULA bewunderte zunächst Cosmus’ dreibeiniges Konstrukt. Da sah er sich als Mann. Seinen Text las er zweisprachig vor, erst auf deutsch, dann auf ungarisch. Er trug den Titel „Hure und Winden“ und war von einer norwegischen Black-Metal-Band inspiriert. Alle meine Schätze schmeiß ich in den Wind. Ephemere als Ephemere Scheiße. Die größten Huren sind im Politikerbereich. Oh, du Promiwelt, deine geschminkten Sterne strahlen. Aber ich bleibe Anarchist. Die Verrücktheit hat mich gesegnet. Ich fresse Black Metal. 

DOMINIQUE, erstmals beim fv open mic dabei, las zwei Gedichte. Zuerst einen „Appetizer“ zur Desorientierung: Was ist das für eine Welt der Gestörten? Was ist, wenn es doch ein Land unter meinem Bett gibt? Über Stock und über Stein bricht sich der Holzstock das Bein. Das zweite Gedicht handelte von Geisterkunde: Es wird Zeiten geben, da wundere ich mich. Es wird eine Sonne aufgehen, die wird eine Wonne sein. Wenn wir werden, wird etwas sterben. So viel, was das Leben klont. Du Mercedes-Benz unter den gedachten Worten.

MARTIN JUST, ebenfalls erstmals bei uns mit dabei, verwies zunächst auf sein Theaterensemble ginA für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, welches am 22.Oktober auch im Spektakel auftreten wird. Er las dann Ausschnitte aus seinen für dieses Projekt verfassten Texten: Oh Mandelsplitter dreizehnfach. Amygdala, du Kleinod, ich weiß dich sehr zu schätzen. Die Leit san do selber hinnig. Lästige Welt, die Nachbarn. Der Teschek, der bin wieder i. Alles, was je geschrieben wurde, darf nicht vernichtet werden - es wird vergessen.

Und damit ging nicht nur dieser Abend, sondern auch die farce-vivendi-open-mic-Saison 2014/15 zu Ende. Ein großer Dank an alle Aufgetretenen (in Summe 124 Auftritte in dieser Saison, also im Schnitt 12,4 pro Abend, wobei da die beiden EisbrecherInnen melamar und Andi Pianka noch gar nicht erst miteinberechnet sind, und wobei Georg Harlekin und Thomas Mayer es tatsächlich geschafft haben, bei allen 10 Open Mics dieser Saison aufzutreten – Respekt und Hut ab!) und natürlich auch an unser Publikum sowie das Spektakel!

Wir sind guter Hoffnung, uns/euch nach der verdienten Sommerpause im September wiederzusehen. Der genaue Termin wird euch, sobald er wirklich feststeht, hier mitgeteilt werden (so viel sei aber schon gesagt: Die Chance, dass es wieder der dritte Dienstag des Monats sein wird, also der 15.September, stehen derzeit nicht schlecht).

farce vivendi wünscht euch einen guten (Rutsch in den?) Sommer!

Donnerstag, 28. Mai 2015

ESC war gestern, heutzutage ist fv open mic angesagt!



Der Eurovision Song Contest ist vorbei, somit ist ganz Wien wieder im farce-vivendi-open-mic-Fieber. Und während der ESC nun nach Schweden weiterwandert, bleibt das fv open mic auch in Hinkunft Wien treu (auch wenn es seine Tätigkeit auf das ganze Universum ausstreckt).

Auch diesmal konnten wir wieder eine Quadratzahl an Auftretenden begrüßen, alle neune nämlich. Doch den Anfang machte als Eisbrecher ANDI PIANKA, der zum Jahrestag seiner Ankunft in Wien einen Text zu eben diesem Thema las. Der Südbahnhof („Treffen wir uns beim Löwen!“) kam ebenso vor wie die Gumpendorfer Strabe oder die nicht mehr existierende U2-Station Lerchenfelder Straße mitsamt einem dort geschossenem Selfie aus dem Jahre 2003.

GEORG HARLEKIN triptychierte in guter, alter Tradition. Sein erstes Gedicht („Sommerregen“) handelte von Erinnerungen an sein früheres Malen (der Geruch von Ölfarben, eine Flasche Wein danach etc.). Im zweiten Gedicht ging es um den Moment als Baustein der Zeit: Sperrstund ist’s für Katastrophenmeldungen. Und zum Schluss die Überraschung: Das letzte Gedicht stammte aus..............
...................dem soeben erschienenen ersten Buch des Autors. Wir gratulieren!

MARLIES THUSWALD nahm nach eigener Zählung zum zehnten Mal an einem fv open mic teil (was mit der Statistik des Autors dieser Zeilen auch übereinstimmt) und setzte zu diesem Jubiläum zu einem „Highscore“ an, wodurch im „Tetris-Nirvana“ ein neues Level erreicht wurde. Es folgte der Traum eines Quadrats („Ich bin ein eckiger Kreis“) über Asymetrien als Disharmonien, als dritter Text dann eine Fata Morgana to go („Die Wüstenfrau schenkt mir ein Lied gegen den Durst“) und schließlich ein Worteflüstern („Grazil entfaltest du vor mir die Welt als Origami-Spiel“).

DOKTOR RAFAEL (der bei uns auch schon unter anderen Namen aufgetreten ist) hielt ein Referat über Schimpfgeburten („Raviatis rhetoris natalis“), also Individuen, die chronisch schimpfen. Er erwähnte prä- und postnatale Sozialisationskriterien und brachte das Fallbeispiel von Heinz, 32 (Name geändert), den ein interdisziplinäres Team (Neurologe, Neurotiker, Psychologe, Tanzlehrer) behandelt. Und die WHO ist nicht mit der Band „The Who“ zu verwechseln. Seinen Vortrag hielt er übrigens als Dauerschleifen-Experiment, dessen Ende durch das (vom Auftretenden nicht ungewollte) Einschreiten des Moderationsduos besiegelt wurde.

MANUEL RAMOS MARTÍNEZ (auch nicht das erste Mal bei uns) brachte drei spanische Gedichte, zu denen MELAMAR die deutschen Übersetzungen las. Im ersten („Sueños“) ging es um Träume, die neue Träume gebären. Das zweite („Escala cósmica“) handelte von seiner Heimat Chile, dortigen Geisterstädten, verwunschenen Tälern („Wo die Kinder Erde kosten, als wär’s Kandiszucker“) und Schiffssirenen, welche die Stadt wecken. Das dritte Gedicht war eine Aufforderung zum Schreiben: Schreibt Verse auf die Blätter der Bäume, denn die gefangenen Verse sind eine Qual!

WOLF MORRISON kam (so wie meistens) in Begleitung eines Musikinstrumentes auf die Bühne, diesmal war es eine Gitarre. Beide Lieder handelten von der Liebe zu einem „Du“. Im ersten war das Du grantig und sudernd, obwohl ihr das Ich die Welt zu Füßen legt. Da hätte das Ich gleich in einem Kloster meditieren können. Das zweite Lied („Paradies“) beschrieb einen kurzen Augenblick des Glücks in einer langen und verregneten Nacht in einem im Grunde sonst ziemlich miesen Leben. Nach diesem Auftritt ging es dann in die Pause...

...nach welcher dann MELAMAR (deren neue Texte aus den zwei Kategorien „zu privat“ und „nicht fertig“ bestehen) mit einem älteren Text die zweite Hälfte des Abends einleitete. „Schaltet die Zikaden stumm“, erschienen in einer dfw-Anthologie, handelt von Europa und diversen Geräuschen: Technoparties ohne Techno, Hunde- und Wolfsgebell oder dem Gesang der Nachtigall in Dolby Surround. Freiheit und Gleichheit – was du auch willst, sei dir gegeben. Die zärtlichkeitsbedürftige Raubkatze nennt mich einen schrägen Vogel. Das ist Europa.

THOMAS MAYER las ebenfalls bereits (in seinen beiden Büchern) veröffentlichte Texte, nämlich zwei Liebesgeschichten. Die erste geht nicht gut aus: Die Doris wollte von ihrem Freund mehr Romantik, doch dieser kaufte ihr erst Blumensamen statt eines Blumenstraußes, dann einen Hasen, damit sie aus ihm Hasenbraten macht, und schließlich ein Kleid in Übergröße. Die zweite Geschichte geht hingegen gut aus. Als sich der Skinhead David beim Versuch, ein Asylantenheim niederzubrennen, in Fatima verliebte, war der Stolz auf das Vaterland wie weggeweht.

MAX WULLY, erstmals beim fv open mic dabei, freute sich, im Unterschied zu Poetry Slams einen Freund auf die Bühne mitbringen zu dürfen, nämlich einen Waschbären, für den er keinen Babysitter fand und mit dem er bauchredend auf der Bühne über Literatur diskutierte: Du mit deiner After-Poesie! Scheiß auf Goethe! Genug mit Busch! Da durfte auch die Bürgschaft nicht fehlen: Was wolltest du mit der Bratwurst, sprich! Dem folgte noch ein ernsterer Text über die Münder dieser Welt, von denen manche Schnitzel und andere Schläge bekommen.

MIKE HOFER musste zuerst schauen, ob seine Gitarre „noch stimmt“, dann legte er mit einem Lied los, welches ihm vor zwei Tagen eingefallen war. Es ging um die Freude am Trinken und am Rauchen, das man aber selten allein versuchen sollte, weil allein saufen depressiv macht und allein kiffen deppert. Dem folgte ein zweites Lied („a schene Nummer von an Freind, a guater Gitarrist“) darüber, dass es wichtig ist, dass man lebt, und über das alleine unterwegs sein.

THOMAS war der letzte Auftretende des Abends. In seinem Text setzte er sich mit der soeben stattgefundenen ÖH-Wahl auseinander. Die Wahlkabine erinnerte ihn an eine Herbergstoilette. In der Wahlwerbung ging alles nur um anti- (außer antialkoholisch). Das Motto „eat the rich“ taugte ihm nicht, denn die Reichen wollte er nicht essen – lieber einen Apfel, die sind wenigstens alle Transgender. Bei diesem Wahlfang fühlte er sich an einen Walfang erinnert. Noch egaler war ihm da nur noch der schwedische Sieg beim Song Contest.

Womit wir nicht nur beim Ende der Veranstaltung, sondern auch wieder beim Song Contest angelangt wären. Der nächste findet wohl im Mai 2016 statt, das nächste fv open mic hingegen viel früher, nämlich schon am 16. Juni 2015. Es wird das letzte des heurigen Schuljahres bzw. vor der Sommerpause sein.  

Mittwoch, 13. Mai 2015

26.mai: fv open mic - douze points


Achtung, wichtige Durchsage/Erinnerung: Das 53. farce vivendi open mic findet nicht wie üblich am 3. Dienstag des Monats, sondern ausnahmsweise(!) erst am 26.5.2015 (welcher der 4. Dienstag ist) statt!

(In den Akten des farce-vivendi-Ministeriums finden sich zu diesem Thema folgende ungeschwärzte Zeilen:
"merci, chérie, als r(e)isender phoenix werdet ihr hier nicht nur besungen, nein, hier werdet ihr vor allem auch belesen! hier geratet ihr nicht als puppet on a string in ein waterloo von nur einem bißchen frieden als molitva an die welt, nein, ach, take me to your heaven, in der nocturne von your eyes seid ihr rock’n’roll kids mit eurem hard rock hallelujah nämlich the voice im secret garden! somit: fly on the wings of love – ob als diva oder als satellite! denn only teardrops und euphoria ergänzen sich zu einem größeren ganzen und tanzen. oder singen und lesen. und das natürlich nicht zeitgleich zum ersten song-contest-semifinale (was ja als dritter dienstag des monats unser eigentlicher termin wäre), sondern ausnahmsweise um eine woche in eine viel interessantere parallelwelt als spektakel im spektakel zeitversetzt.")



 

Mittwoch, 22. April 2015

Aller guten Dinge sind 16



Aller guten Dinge sind 16 – so scheint jedenfalls derzeit das Motto des farce vivendi open mic zu lauten. Denn zum nunmehr dritten Mal in Folge hatten wir exakt 16 Auftritte (exklusive der beiden EisbrecherInnen), diesmal allerdings in Form von insgesamt 17 auftretenden Personen (die Auflösung dieses Paradoxons folgt erst am Ende dieses Berichtes, also werdet ihr ihn hoffentlich zur Gänze fertig lesen ;-))

Zuerst sprach wieder mal die Münze, diesmal eine vatikanische 50-Cent-Münze, die statt auf Zahl auf Papst fiel und somit ANDI PIANKA zum ersten Eisbrecher machte. Dieser hielt (aus gegebenem Anlass) eine bürgermeisterliche Ansprache („also 22 Spritzer für mich und 66 Wochenstunden für die Lehrer, damit sie wenigstens ein Drittel meiner Arbeitsleistung erfüllen, denn bloß ein Vierterl ist bis Dienstag Mittag an Leistung viel zu wenig“).

Als Startnummer 1 wurde (nicht zum ersten Mal) THOMAS MAYER gelost. Er hat’s nicht so mit dem Frühling, deshalb las er einen bluesigen „Frühlingsbeginn ohne Sinn“ vor. Der letzte Schnee verschwindet...Nur die Kälte in manchen Herzen bleibt standhaft. Nur Herzen, die in Tunneln wohnen, wissen nicht, was es heißt, sich auch mal zu belohnen. Verletztes Ego, gebrochenes Herz, für sie ist Dezember, Jänner, Februar und nicht Ende März.

Nicht das erste Mal dabei, aber das erste Mal unter seinem eigentlichen Künstlernamen angekündigt war RAFA EL AFAR, der nebst Gitarre auch einen Verstärker mitbrachte und ein „namensloses“ (Liebes-)Lied darbot: Oh my baby, take my hand and fly with me. Baby girl, you understand me. Come and swim with me. Neben diesen und noch vielen anderen Worten enthielt das Lied auch Laute, die hier schwer schriftlich wiederzugeben sind ;-)

GEORG HARLEKIN, unser Maestro des Triptychon, begann zur Einleitung mit einem Gong und setzte danach mit Gedicht #1 (Du schöner Geist, welcher Creation heißt...wir Endlichen spüren unser Gewicht...), Gedicht #2 (Die Garben der Narben: Ich will leben, mich freuen...ausgetrocknet sind die Flüsse...ohne Abschied bist du gegangen...) sowie Gedicht #3, einer „Mischung“ (...glaubte den Schlüssel verloren, trage ihn in meiner Tasche...), fort.

FRANZISKA SCHERZ las einen Text über einen Journalisten, der sich gerade in Urlaub befindet – auf einer griechischen Insel, wo er in einem idyllischen Ort einen Ausblick auf das weite, weite Meer hat (wobei er an Stränden nicht interessiert ist) und dort an seiner Familiengeschichte schreibt: über die Omama, über den Vater (einen Rom), über die Mutter, die ihn verließ, als er 4 war, über seine Schul- und Schulschwänzzeit.

LORE MURBACHER fand es im Raum „so gemütlich finster“ und fing mit einer Beziehungsgeschichte an. Diese Liebe hat ein Ablaufdatum, deswegen schlagt zu! Himbeerrote Liebe pur...Ka Bedrängnis, ka Gefängnis. Dieser Geschichte folgten noch einige Kurztexte, u.a. über das Glas schönster Erinnerungen, das voll gemacht gehört. Oder: dreimal, zweimal, einmal – alles ist besser als keinmal. Und: besser ein scharfer Schnitt!

Danach traten WOLF MORRISON und sein Keyboard in Erscheinung. Sein erstes Lied war eines, das eigentlich keine Frau zu hören bekommen möchte: Du bist wia a Kaktus. Du bist so spröde und so unnahbar. Kaktus in der Wüste, der grad blüht. Im zweiten Lied erklärte er sich zum Kaiser von Österreich: I regier nur für euch...Wenn i g’storbn bin, habt’s a schene Leich’...alle tun nur kuschen und die Wahrheit vertuschen.

MARLIES THUSWALD brachte in ihrer Auftrittszeit viele Kurz- und Kürzesttexte unter. Erst forderte ein Buntspecht: „Sprecht bunt, für weniger eckig und mehr rund!“  Dann rankten sich Bohnenstangen um eine Sandsteinstatue, die die Tauben mit Verdautem bedeckten. Weiters kamen vor: ein Erdbeben in einer spiegelbunten Welt, eine Spielwiese (Du bist so vielfältig, wie einfältig du bist...du ohrenbetäubendes Origami!), ein Kuss, eine Kerze und Wünsche.

COSMUS, der sich nach seinem letzten Auftritt mit dem Gedankentransformator schon verloren und nicht mehr ganz gefunden gefühlt hatte, kam mit einer weiteren seiner Erfindungen auf die Bühne, nämlich dem Persönlichkeitsgenerator, den er großbuchstabig mit „Das ewige Leben ist tot“ vorstellte. Man muss ihn drehen. Sind einige Fehler dabei. Glücklicherweise, sonst wär’s ja perfekt. Und so bin ich gegangen an das Ende, wo der Anfang ist.

Und da auf jedes Ende ein neuer Anfang folgt, war es nun logisch, die erste Hälfte in ein Ende bzw. eine PAUSE überleiten zu lassen, um ca. 20 Minuten später mit der zweiten Hälfte anfangen zu können.

Der Anfang der zweiten Hälfte gehörte dann MELAMAR, der Eisbrecherin #2. Sie begann mit einem von einem Bild inspirierten Gedicht über Magma, den Schoß der Erde. Wieso ist das Wort „Vulkan“ männlich? Phallischer Aspekt? Feuer des Lebens, living moments, moments of joy. Im zweiten Text hatte das schreibende Ich Aussicht auf neue Einsichten. Nach einem Augen- und einem Clown-Text folgte noch ein „möglichst schlechter“ über den Hubschrau-Bär, der auf den Teddy-Bär traf.

Der Text von THOMAS war erst unmittelbar vor der Veranstaltung (zwischen 19 und 20 Uhr) entstanden, als er in einem benachbarten Cafe saß. Ein pferdeschwanziger Kellner, der wirkt, als wolle er nicht beschrieben werden, und zur Postmoderne gehört (sowie womöglich Anführer einer Motorradgang ist), fragt nicht nach Schinkenbrot – er hat es! Doch obwohl er noch „mit Kren?“ gefragt hat, scheint er „unseren Jahrestag“ vergessen zu haben. Komm gleich!

KITTY wollte via Schwarzes Brett an der Hauptuni ihr Italienisch durch eine Tandem-Konversation auffrischen. Daraufhin meldete sich „Mike, 23, suche Deutsch“. Sie verabredeten sich im Audimax-Buffet. Ein schüchterner Mann geht immer wieder suchend hinein und hinaus. Doch wäre es nicht zu rassistisch, ihn zu fragen, ob er Italiener sei? Und die SMS an ihn wird automatisch von „sitze hinten“ auf „sitze hingebungsvoll“ korrigiert, doch zum Glück noch rechtzeitig nicht abgeschickt.

JULIA SANTINI brachte nicht nur eine Gitarre, sondern auch noch eine beeindruckende Singstimme mit. Sie möchte sich in ihrem brennenden Feuer nach “give me your fire” überwältigen lassen: I am waiting for you to come and burn me down, overpower me and spin me around. Just passing time with you under the trees, jumping in extasy, just beeing free. Sowie: I wanna live in my own identity – don’t wanna be a slave.

Auch die Stimme von MARTIN AUER konnte (nämlich ganz ohne Mikro und ohne instrumentale Begleitung) bis in die letzte Reihe überzeugen. Er sang zuerst zwei burgenländisch-kroatische Lieder über den Fabriksalltag um das Jahr 1900 herum (Steh ich auf so frühe, denke ich an meine Mühe, in Hornstein die Fabrik...), beide erst auf kroatisch, dann auf deutsch gesungen. Denen folgte noch ein Südstaaten-Blues aus etwa derselben Zeit.

Erstmals beim fv open mic dabei war I0 (was als I null zu lesen ist). Ein erstes, älteres Gedicht handelte u.a. vom Zurückverlangen verliehener Flügel. In einem zweiten, neueren, sagte er nichts: Und? Was und? Ich habe Angst, mich herzuzeigen. Es ist erst kurz nach halb Nacht. Bei aller Freundschaft...unser Wir steht vor der Tür. Im dritten Text beschrieb er sein Profil, in dem er erfolgreich im erfolglos sein war und kunterbunt brauchte.

ANGELA benötigte zuerst zur Aufwärmung für ihre Texte ein Tänzchen auf der Bühne. Im ersten der beiden Texte ging es um zu viel, um zu sterben, zu wenig, um zu leben. Keiner steht hinter mir und ich daneben. Vor dem zweiten Text meinte sie, ein Techno-Festl hätte ihr das Hirn weggeblasen, doch es wäre danach zurückgekommen. Der Text selber: Dornenreicher Rosenstrauch, du! Man sagt mir nach, ich hätte einen grünen Daumen.

HARRY P echauffierte sich über den Informationsmangel in den Nachrichten. Wenn es heißt, ein rücksichtloser Autofahrer hätte einen dreifachen Familienvater am Weg zur Arbeit getötet, dann fragt man sich, ob es besser gewesen wäre, wenn er einen ledigen Kinderschänder überfahren hätte. Oder ob der Autofahrer selber nicht auch dreifacher Familienvater war. In seinem zweiten Text fragte er sich, wieso mehr Menschen einen Bericht über einen Gorilla im Zoo anklicken als einen über die im Mittelmeer ersoffenen Flüchtlinge.

Last, but not least kam LIORA als letzte Teilnehmerin zu ihrer fv-open-mic-Premiere. In ihren beiden ersten Texten erklärte sie (die sie aus Vorarlberg stammt) ihre Liebe zu den Wiener Innenhöfen. Da ging es um’s Küssen und Husten (nur einmal hat jemand zurückgehustet) und die offenen Fenster als Türen zur Welt (am Balkönchen spüre ich Liebe zu diesen Wesen). Zum dritten Text, einer Liebeserklärung an Norbert Neon („Tannenwipfelessenz als Parfum“), bekam sie tanzende Bühnenunterstützung von CONNY.

Tja, damit wäre auch das Rätsel um die 16 Auftritte und 17 Auftretende gelöst. Einen weiteren potenziellen Auftretenden hätte es auch noch gegeben, doch musste er aufgrund eines plötzlichen Notfalls weg, bevor er gezogen wurde (hoffentlich geht es dem Notfall mittlerweile wieder besser!)

Wir freuen uns über das zuletzt ununterbrochen große Interesse, beim fv open mic aufzutreten. Wir lassen ja auch alle auftreten, die es wollen. Insofern entspringen jeweils 16 Auftritte 3 mal in Folge wirklich einem Zufall und keiner absichtlichen Beschränkung der Auftretendenanzahl.

Und nun warten wir voller Vorfreude etwas länger als sonst auf das nächste fv open mic. Nicht, weil jenes im Mai ausfallen würde, keine Sorge! Sondern wir werden ausnahmsweise vom dritten auf den vierten Dienstag des Monats übersiedeln. Schließlich hätte der dritte Dienstag eine Terminkollision mit einer (wohl in etwa der unseren ähnlich berühmten) Veranstaltung namens Song Contest bedeutet (bzw. dessen erstem Semifinale). Und das können wir euch doch nicht antun, wo er erstmal seit 48 Jahren wieder in Wien stattfindet!
(Naja, der eigentliche Grund für die Verschiebung um eine Woche ist eigentlich ein ganz anderer, der an dieser Stelle nicht verraten wird, weil ja im Hypo-Untersuchungsausschuss auch nicht alles verraten wird, aber die Begründung mit dem Song Contest hat ja dennoch irgendwie eine gewisse Plausibilität, oder?)

Das bedeutet: wir sehen uns erst am 26. Mai wieder, welcher aber, wie gewohnt, ein Dienstag sein wird (außer, es tritt bis dahin eine Kalenderreform in Kraft – aber das steht nicht in unserer Macht...)


Donnerstag, 19. März 2015

Gedichte, Geschlechter und Genüsse



Ob Jubiläum oder nicht – das nichtjubilarische farce vivendi open mic im März kam ebenso wie das jubilarische im Februar auf die stolze Zahl von 16 Teilnehmenden (in diese Zahl sind die beiden eisbrechenden Moderierenden noch gar nicht mal miteinberechnet). Mittlerweile ist unsere Veranstaltung so berühmt, dass auf Basis unserer Termine die Bundesregierung ihre Termine für Steuerreformbeschlüsse festlegt. Sogar der Song Contest wird in großer zeitlicher Nähe zum fv open mic stattfinden. Aber halt, da wären wir schon im Mai. Nein, bleiben wir vorerst mal im März – und zwar beim Rückblick auf den 17.3.

Das Eisbrecherorakel, diesmal eine irische 2-Euro-Münze (passend zum St.Patrick’s-Day an jenem Tag) wollte nicht auf die harfige Rückseite fallen und erklärte damit ANDI PIANKA zum ersten Eisbrecher. Dieser las zuerst ein älteres Gedicht über die Geschmacksrichtung Umami (im „& Radieschen“ Nr. 3 erschienen) und daraufhin einen neuen Text über die Schnee produzierende Großkapitalistin Frau H. (erscheint im aktuellen „& Radieschen“ Nr. 33, welches am 19.4. im Cafe Anno präsentiert werden wird).

MARTIN AUER, erstmals seit langem wieder dabei, las drei Dialoge aus seiner Gschisti-und-Gschasti-Serie. Im ersten wird man aufgefordert, sofern man für die Schwerkraft ist, sich einer Massenbewegung zu ihrer Verteidigung anzuschließen („Wer nicht für sie ist, ist gegen sie!“), im zweiten um die Notwendigkeit eines Werbebudgets, wenn man in der Masse nicht untergehen will, und im dritten möchte Gschasti nicht ausschließen, Gott zu sein. Gschisti allerdings genauso wenig.

Auch der konsequente Triptychonist GEORG HARLEKIN brachte – seiner Tradition gemäß - drei Texte. Im ersten Gedicht ging es um der Schöpfung Wellen, die auf sie folgende Stille („Still ist sie jetzt, die See der Schöpfung“) und neue Wellen, die neues Leben erwachen lassen), im zweiten um minimalistische Sichtweisen („Staube nicht, erlaub es, glaub ans Licht (...) Ich scherze nicht, ich herze dich!“) und im dritten um den Frühling, der zu neuen Ufern führt („Auf, auf, ein neuer Tag!“)

CHRISTIAN SCHREIBMÜLLER pimperte sich in seinem Text als Poet mit James-Joyce-Stick bis nach Saloniki hinunter, wo die Empfangsdamen ihn (bzw. ein gewisses Organ) aufnahmen. Dann switchte er weiter im Programm und sah dort: Bankräuber („Holla, alles in Dollar!“), Nulllohnrunde, Verunreinigte Staaten von Amerika, Persilien, Gaudi-Arabien, alle vernefft und vernichtet, Mac Bauchweh. Da fehlt nur mehr Menasse: „Das Design bestimmt das Bewusstsein“.

GERHARD wollte am Samstagabend auf ein Bier gehen, weil er am Sonntag früh aufstehen musste. Doch als er Sonntag früh verkatert aufwacht und frühstücken will, sieht er SIE: „lange Beine...fuck...sitzt da und frühstückt...kann mich nicht erinnern, sie je gesehen zu haben“. nur ihr Gesicht: Bäh! So macht er sich erstmal einen Kaffee, dann aber will er sie doch loswerden. Mit einem stumpfen Brotmesser? Oder aus dem Fenster schmeißen? Denn so menschlich, wie der Text anfangs suggeriert, ist diese Langbeinige dann doch nicht...

DIESER EMIL, erstmals beim fv open mic mit dabei, las einen Text (den er als „fast ein Essay“ ankündigt), der – von einer in der Gesellschaft verbreiteten sexistischen Metapher über Schlüssel und Schlösser ausgehend – auf die Gründe für Sexismus einzugehen versucht. Stammen Sexisten etwa aus konservativen Familien, in denen Gender für eine Gitarre gehalten wird? One-Night-Stands nach „Wodka-Bull und Plem-Plem-Machern“ erklären sich für ihn jedenfalls neurobiologisch (nämlich in Bezug auf den Orgasmus).

BARBARA SABITZER kündigte ihren Text schon vorweg als „unangenehm“ an. Es war die autobiographische Schilderung eines Autounfalls („Rumps, Bumps...mir kracht’s hier“) und dessen Folgen („nicht tot, kein Blut, nur dumpf, mein Rumpf“). Die andere schreit, sie hätte gebremst. Bei herrlichem Wetter geht es dann mit dem Hubschrauber über den Wörthersee ins UKH. Arzt: Was sagen Sie? Oje, sag ich. Doch Kunsttischlerin ist ein schöner Beruf, meint der Arzt abschließend.

THOMAS brachte einen Text mit dem Titel „Ambrosius Hoffmann sucht Nutella und findet Nutte Ella“. Nachdem sich der Zielpunkt verflüchtigt hatte, bog er links obwohl er erzogen wurde, nie vom rechten Weg abzukommen) in Richtung eines anderen Supermarktes ein (ein „Museum der Lebensmittel mit kontemporärer Ausstellung“), wo ihm zu den Produkten viele Reime einfielen. Schlussendlich fand er statt Nutella die Nutte Ella. Der Heiratsantrag wurde noch im Supermarkt positiv beantwortet.

THOMAS MAYER kam mit der kleinen Anna auf die Bühne. Es kam zu einem Unfall – ein Jammer war’s! Kleines Mädel – gespaltener Schädel! Im zweiten Text fand Herr Heidenreich auf einer Internet-Pornoseite seine Medizin studierende Tochter („Kleine Prinzessin!“) und kritisierte ihren dortigen primitiven Monolog. Im dritten Text (zu dem er meinte, man solle doch besser auf Friedhöfen heiraten) sagte der Bräutigam vor dem Altar: „Nein, lieber nicht (...) es wird sich schon wer finden“.

Es folgte...
...die Pause.

Dieser wiederum folgte MELAMAR als zweite Eisbrecherin des Abends mit 12 Kurz- und Kürzestgedichten. Beginnend mit dem poetischen Irrweg der Warteschlange Kundalini der Kaufhauskultur ging es danach u.a. um das Gedicht als Komplizen, um den Morgen als leere Seite des Tages, um die Freiheit des Frühstückseies, um das flussaufwärts durchschwimmen des Gedankenstroms, um den Schreibfluss, der zum Flussrinnsal wird, oder um die Frage, wer hier schreiben auf speiben reimt.

MARLIES THUSWALD brachte „Poetisches und anderes“. Im ersten Text wollte sie Matrosin im Kanu ihrer Träume bleiben (doch: „Hier ist kein Meer“), im zweiten flogen „strahlend grau auf blau“ zwei Schwalben aus Papier, im dritten begegnete der wilde Weinstock („Was machst du da?“) einem Kulturmenschen („Ich genieße“) – worauf der Weinstock „Ich habe schon genießt, Gesundheit!“ antwortet – und im vierten schließlich fiel die Geh-Nuss vom Baum: „Oh weh, Nuss!“

MIKE HOFER meinte, als er auf seiner Gitarre zu den ersten Takten ansetzte: „Geplant hab i no nix, i spiel einfach irgendwas“. Und als ihm der Text nicht einzufallen drohte, fiel er ihm doch noch ein. Er erzählte in seinem Lied von seiner Freundin, die ihn fasziniert: „Des is a Freindin, a guater Mensch durch und durch“. Sie wäre „fast zu guat für mich“ und „guat zu mir“. Dem folgte noch ein instrumentales Outro.

FRANZISKA SCHERZ, das erste Mal dabei, wurde in ihrem Text politisch: „Sie gröhlen schon wieder, kaum sind die Todesseufzer verstummt“. Es ging um „rührseligen“ Humanismus und die Kurzsichtigkeit für das Leid in der Welt. „Erholungsbedürftige Touristen schlendern friedlich“ als Gladiatoren der Vergnügungsindustrie. Im zweiten Text ging es traditionelle Geschlechterrollen („Frau lächelt, bringt das Essen, zieht sich aus“) und im dritten um die Zeit der Arena-Besetzung.

COSMUS kam – wie schon letztes Mal – mit Requisiten auf die Bühne (die bei uns ja – im Unterschied zu Poetry Slams – durchaus erlaubt sind), nämlich den Gedanken-Transformator „Tradilos“. In an Science Slams erinnernder Art erklärte er ihn: „Es ist nicht nichts! Es ist also schon was! (...) Denken – Gedanken – Schwingung“). Ihn mit eigenen Worten besetzen, das wäre die Basis. Nach rechts drehen würde keinen Sinn machen, eher nach links (siehe auch den Namen dieses Transformators von hinten gelesen).

KITTY, erstmals dabei bzw. überhaupt auf der Bühne, erzählte von den drei für sie schönsten Worten: „Nächster Halt: Wilhelmsburg“. Ihr Text handelte vom Schrambach-Regionalexpreß in ihrer Heimat, dem Traisental, in dem es Sitzplätze mit 70er-Jahre-Stoffmuster und mysteriöse Fenster gibt, die man schwer schließen kann. Und im Ort selber: Den Stolz, dass am Muckenkogel durch Mathias Zdarsky das Schifahren erfunden wurde, sowie einen schwarzen Pfarrer à la Don Camillo und einen roten Bürgermeister à la Peppone.

RAFAEL kam mit Gitarre und zwei Songs. Im ersten war er überaus beratungsresistent. Darin ging es um Kenntnis, Vermächtnisse, Bandscheibe, Urvertrauen, Präsidentenresidenzen, Himmel oder Hölle. Und vor allem um „hinzulegen und einfach alles hinzunehmen“. „Kapisch’? Leider nichts kapiert“. Im zweiten Song coverte er einen legendären Klassiker von Nick Cave (den er seinerzeit im Duett mit Kylie Minogue sang) ins Deutsche: „Am ersten Tag hab ich sie zu ihrem Fluss gebracht (...) Sie nannten sie die wilde Rose“.

Von Gitarre zu Gitarre ging es dann mit dem „stressresistenten“ STEFAN PETER weiter. Er erzählte zunächst von einem stressigen Tag, der einen mühsamen Amtsbesuch beinhaltet hatte. Dann sang und spielte er ein Lied zum sich „in die Mitte bringen“, in dem er schwamm („raus aus der Stadt, mitten auf’s Land“) und flog („raus aus dem Tal, mitten ins Meer“). Dann ging’s ihm gut („sternenklar kam’s dir vor“).

Den Abschluss des Abends bildete RHONDA. Das erste Gedicht war ein englischsprachiger Haiku über Geschlechteridentitäten („I hate my life, but it’s not the one way, my life hates me“), das doch noch positiv mit „I am what I am“ endet. im zweiten Gedicht tranken „the girl and the boy“ „too much beer“, doch die „love for art“ brachte beide zusammen. Im dritten, deutschsprachigen Gedicht erwies sich die wa(h)re Liebe als mehr als Besitz.

Damit ging das 51. fv open mic zu Ende. Alle Teilnehmenden konnten außer einem Freigetränk sich auch gratis Literatur mit nach Hause nehmen, wofür wir uns bei den diese zur Verfügung stellenden bedanken möchten: „& Radieschen“ aus dem Hause ALSO einerseits und Bücher aus der Edition „Das fröhliche Wohnzimmer“ andererseits.

Das war’s für diesen Winter. Das nächste fv open mic findet nämlich bereits im Frühling statt – und zwar am 21. April, am 111. Tag dieses Jahres (sowie dem 2767. Geburtstag der Stadt Rom)

Dienstag, 17. Februar 2015

Das goldene Jubiläum


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 Traditionellerweise ist der Februar der farce-vivendi-open-mic-Geburtstagsmonat, diesmal war es wahlweise der erst in den Kinderschuhen steckende 8. Geburtstag (nämlich an Jahren seit dem ersten Mal), der jungerwachsene 30. (nämlich an der von melamar und Andi Pianka gemeinsam moderierten Zahl an Veranstaltungen aus dieser Reihe) oder der bereits reife 50. (nämlich an der Zahl an fv open mics bisher insgesamt). Dieses Dreifachjubiläum wollte sich kaum jemand entgehen lassen – und so gab es die seit Jahren höchste Zahl an Anmeldungen, nämlich 16 (wovon wir – gemäß unserer bewährten „alle kommen dran“-Regel – natürlich auch alle auftreten ließen). Damit aber alle (Auftretende wie Publikum) noch mit den "Tages-Öffis" heimfahren konnten, feierte nach langer Zeit die Bühnenuhr ihr Comeback. Diese dient (im Unterschied zu Poetry Slams) nicht einem Vertreiben von der Bühne nach exakt 5 Minuten, sondern einer Orientierung für die KünstlerInnen, wie weit ihre Auftrittszeit fortgeschritten ist. Und sie erfüllte ihren Zweck: Kein Beitrag dauerte länger als 7-8 Minuten, wodurch trotz Rekordzahl an Auftretenden die Veranstaltung sogar etwas früher endete als die letzten Male und somit im Anschluss noch genug Zeit für Unterhaltungen im Barbereich blieb. Doch drehen wir die Uhr um 3 Stunden zurück, zum Beginn dieses Jubiläumsabends, als...

...nach der Begrüßung des Moderationsduos eine alte 50-Groschen-Münze auf Wappen fiel und somit MELAMAR zur ersten Eisbrecherin des Abends bestimmte. Ihr ganz frischer Text drehte sich zuerst um ihr Leben (das ein Wachsen und ein aus dem Schneckenhaus Herausleben ist) mitsamt der Erkenntnis „nur in der Leere ist Platz für die Fülle“ und dann um das Leben des fv open mic (dessen Leben ein Biologe wohl verneinen würde): „Wir passen deshalb zusammen, weil wir einander ergänzen, einander nähren und niemandem seine Einzigartigkeit verwehren“.



MARK, fv-open-mic-Debütant, bekam gleich die Startnummer 1 zugelost. Elektronisch waren dabei sowohl sein texttransportierendes Mittel (ein Handy) als auch die Hauptfigur des Textes, sein im hohen Alter von 12 Jahren dahingeschiedener „Texas Instrument“ – ein Taschenrechner, der in den Schützengräben der Mathematik ein Held war und in der Schultasche einen besonderen Platz neben MP3-Player, Flachmann und Kugelschreiber hatte: „Ich werde dich vermissen“.


 Der Auftritt von MIKE HOFER war der einzige Beitrag dieses Abends, an dem ein Musikinstrument (nämlich eine Gitarre) mitbeteiligt war. Er sang vom ehrlich sein: „Bled ehrlich oder ehrlich bled?“  Doch eigentlich wollte er, wie er meinte, „ganz was Anderes singen“, und ließ sich von der mittlerweile bei 4 Minuten stehenden Uhr für seine letzte Auftrittsminute zu einem „eine Minute zu früh oder zu spät“ inspirieren. 



HARRY P war in seinem ersten Text der Zuhörer, dem aber Lotte, Erwin, Gustl und Franz, die ihm ihre Probleme schildern, langsam auf die Nerven gehen. Am Ende entpuppte sich dieser „Zuhörer“ allerdings als ein sehr tierisches Lebewesen. Im zweiten Text waren zwei Seegurken nicht willig, zwei Salzgurken zu helfen. Und im dritten versuchte der tröstende Freund eines Krebskranken, in dessen Testament als Erbe vermerkt zu werden.





CHRISTIAN SCHREIBMÜLLER, mutmaßlicher fv-open-mic-Rekordteilnehmer in den bisherigen 8 Jahren und an diesem Abend für uns auch als unermüdlicher Fotograf tätig, tauschte als folgender Auftretender für 5 Minuten seinen Fotoapparat gegen das Rampenlicht der Bühne und ging in seinem mit „Yes, sir, no, sir“ beginnenden Text auf unterschiedlich höflich formulierte Sprache ein: „Excusez-moi, Sie unnötiges Weh“ und „Die Kultur is a a Hur“.


AÑA fing mit einem Rätsel („Geht mal langsam, mal schnell...“) an, welches das aufmerksame Publikum erfreulicherweise zu lösen in der Lage war. Ihr längerer zweiter Text („Wo liegt dein Süden?“) handelte von den Unterschieden zwischen dem Leben kurz nach der Matura und jenem als Kind, so sah z.B. die Umgebung die mit 5 geäußerten Berufswünsche positiver als jetzt („brotloses Abrackern für kaum Geld“). Auch das Ausborgen von Mamas Kleidung führt zu anderen Reaktionen als früher. 

Erstmals dabei war COSMUS, der zuerst viel auspackte, um dann sein 156-seitiges Buch der Schwingung mit 62 Tagebucheinträgen zu präsentieren (sein Basiswerk, von dem sich alles Andere ableiten ließe), aus dem er kurze Ausschnitte vorlas, in denen (so wie auch im gesamten Buch) das Wort „Schwingung“ überaus omnipräsent war. In kurzen Passagen eines anderen Tagebuchs schafften immerhin auch andere Wörter (wie z.B. Fieber, Struktur und Energie) eine Präsenz. 




MARLIES THUSWALD, nach einem Auslandssemester in Serbien erst seit 3 Tagen wieder zurück, gab ihr fv-open-mic-Comeback mit einem Grenzerfahrungstext, der viel mit eben diesem Semester zu tun hatte bzw. mit dem endlos scheinenden stundenlangen Warten an der Grenze, bis man auf der anderen Seite ist: „Verehrte Grenze – du bist von gestern!“  Doch irgendwann öffnet sie sich endlich („Der Bus bringt mich endlich zu dir hin!“) und man kann die Ankunft richtig schmecken. 






Den Abschluss der ersten Hälfte bildete THOMAS MAYER, der (nach einer kurzen Einführung zum Thema Klarträume) aus seinem Traumtagebuch vorlas. Dieser Traum begann mit einem Telefonat mit einem Ex-Kollegen, der ihn, als im 22. Bezirk wohnenden, für „von außerhalb“ hielt, ging mit einem nackten Hermes Phettberg weiter, der fragte, ob er jetzt baden könne und endete mit vier Frauen, die (alle oben ohne) meinten, er könne jetzt anfangen (mit der Brustkrebs-Vorsorgeuntersuchung nämlich).


Nun ging es in die Pause.

Zweiter Eisbrecher war ANDI PIANKA, der 12 Kurz- und Kürzestgedichte (mitsamt einigen kurzen Kommentaren zu ihnen) in nur 3 Minuten unterbrachte. Ein vierzeiliger eseliger Kreuzreim war ebenso dabei wie Gedichtformen aus aller Welt (Haiku, Limerick, Ghasel) und Anspielungen auf Goethe, Schiller, Bach und Schubert. Zum Schluss gab es noch die Unvollendete in Form eines „Poem interruptus“.

STEFAN PETER präsentierte als Teil 3 seiner „Selbstmordtrilogie“ ein Reisebüro, das verschiedene Einwegreisen ins Nirvana anbot, die vom Kunden Sepp allesamt hinterfragt wurden (z.B. bei der katholischen Route, ob es bezüglich Scheiterhaufen nicht feuerpolizeiliche Probleme geben würde).  Am ehesten gefiel ihm noch die vierte (romantische) nach Hawaii. Kafka hingegen kenne er nicht („Hat er Reiseführer verfasst?“) 



GEORG HARLEKIN (der von den letzten 17 fv open mics nur ein(!) Mal nicht dabei war und somit Teilnahmerekordhalter der jüngeren Zeit ist) brach mit seiner Tradition, drei Gedichte zu lesen. Diesmal waren es derer nur zwei: Eines über Wut im Bauch („Spürt ihr das etwa auch?“) und den Wunsch nach Frieden („Macht Musik und lasst uns tanzen – ich hab genug vom Suchen der Abhörwanzen“) und einen Tanz der Worte, zu dem u.a. ein Siebenschläfer laut aufruft. 






JOPA präsentierte Vulgäres mit Edding und Salz: „Steck deine Nase nicht in fremde Hasen – Nas ist auch nur ein Anagramm von NSA“. Ein Onanierenspender kam ebenso vor wie L1 (ein Abschnitt seiner Wirbelsäule). „Ich übertreibe mit dem Feiern, mit dem Blödsinn, mit der Kunst“. Nach dem dreimonatigen Pökelprozess der Lebendniere in Salzkruste bildete dann eine Live-Verspeisung seines frisch gesalzenen letzten Textblatts den Höhepunkt seiner Darbietung. 




GERHARD, der auf seine letzte S-Bahn ins nördliche Weinviertel angewiesen ist, wurde deshalb – wie auch schon bei seinen beiden bisherigen Auftritten – außerhalb der gelosten Reihenfolge vorgezogen. Ein erster Text handelte vom Folgen falscher Ideale, ein zweiter vom „Opfer nur von meinem Neid“ und der dritte schließlich war ein (auf die aktuelle Lage in Griechenland bezogenes) Metaphermärchen über einen Fischer, der von der Küstenwache eine Pumpe für sein leckes Boot bekommt, die ihm aber nicht wirklich hilft. 

wALTEREGOn nahm ebenfalls auf aktuelle Ereignisse Bezug und setzte sich mit ihnen auf eine humoristische Art und Weise auseinander. Sein „bester“ Plan („Mama, geb mir einen Gürtel!“) war ein Bonbonattentat. Im Ausbildungslager hätte er Schwedenbomben zu bauen gelernt und unter Schleiern aus rosa Zuckerlpapier in den Lauf der Kalaschnikow Rumkugeln gesteckt (seine dazugehörige Performance löste dann übrigens ein kleines „Attentat“ an die am Lesetisch liegenden Literaturzeitschriften*) aus).

In der Pause spontan angemeldet und erstmals mit dabei war NEVI. Nicht als einzige an diesem Abend verwendete auch sie ihr Handy als moderne Form des Textblatts. „Erzähl mir nicht, dass es draußen regnet“ – so begann ihr Text, der um optimistische Sichtweisen der Dinge anstatt der pessimistischen ersuchte. Um das Erzählen vom Aufspalten der Tropfen und von Träumen solle es gehen anstatt um das Erzählen über Müdigkeit und die Schmerzhaftigkeit der Infusion. 





MARTIN BACHLER hat sich früher gegen das Reimen gewehrt, doch nun reimte er rappend von Dingen, die swingen – auf der Suche nach der adrenalinaufgeladenen Show. „Ich will Herkules statt Rommel“, meinte er und setzte sich kritisch mit dem Soldatendasein auseinander. „HipHop ohne Stopp, ohne Komma“ – es ginge ihm nicht um melancholerische und traurige Poesie, sondern um einen Schrei aus der Urzeit. Seine Darbietung beendete er mit einer „Ego-Explosion“. 



Last, but not least kam schließlich MICHAELA HINTERLEITNER zu ihrem Auftritt. In ihrem ersten Text war sie bekennende Stapelbauerin und „Fly woman“ („Ich darf jedem in die Suppe spucken!“), im zweiten wachten Insekten auf, im dritten liebte sie die Räder und die Mechanik – und den Abschluss bildete eine liebevolle Hommage ans fv open mic mitsamt Publikumsbeteiligung („like a dandy...farce vivendi...süß wie candy...farce vivendi“), was ein sehr würdiger und passender letzter Akt dieses Jubiläumsabends war. 

Danke ans zahlreiche Publikum, das trotz Faschingsdienstags (und somit vieler anderer Veranstaltungen) den Weg zu uns fand.

Danke an Christian Schreibmüller fürs fotografieren!


                 
Danke an Andi Pianka fürs Verfassen dieses Berichts! 









Und zur Auflösung des *) von weiter oben: Danke an die zur Verfügung gestellten Ausgaben der Literaturzeitschriften DUM sowie &Radieschen, von denen sich alle Auftretenden eine mitnehmen durften. 




Und da die die Auftritte begleitende Bühnenuhr auf überwiegend positive Resonanz stieß, wird sie voraussichtlich auch beim nächsten Mal wieder zum Einsatz kommen, welches am 17. März wieder im Spektakel stattfinden wird, wenn das farce vivendi open mic zum nunmehr 51. Mal zum mitmachen und zum zuschauen einladen wird.









Alle Fotos auf dieser Seite stammen von Christian Schreibmüller. Zum vergrößern der Bilder auf dieselbigen klicken.


Zahlreiche weitere Fotos gibt es hier zu sehen:

https://www.facebook.com/media/set/?set=a.818658368170260.1073741844.194608817241888

(Das Album ist öffentlich und daher auch für nicht-facebook-BenutzerInnen einsehbar.

Donnerstag, 22. Januar 2015

Ein Abend mit vielen aktuellen Bezügen





Beim ersten farce vivendi open mic des Jahres 2015 (welches u.a. von einer ganzen Schulklasse samt Deutschlehrer besucht wurde) nahmen einige Auftretende in ihren Texten bzw. deren Anmoderationen Bezug auf aktuelle Ereignisse der letzten Wochen. Aufgrund eben dieser Ereignisse war es dem fv-Team auch ein Anliegen, an die Opfer von Unmenschlichkeit und Barbarei zu erinnern (jene in Paris, aber genauso erwähnte melamar in ihren einleitenden Worten jene in Nigeria oder Saudi-Arabien).





Nach einem kleinen Zwischenfall unmittelbar vor Beginn, bei dem der ganze Inhalt eines Getränketabletts dem Boden entgegen herniederfiel, legte das fv open mic kurz nach 20 Uhr los.







ANDI PIANKA, Sieger (bzw. aus eigener Sicht eher Verlierer) des Münzwurforakels, las zwei ganz frische aktualitätsbezogene Gedichte – ein kurzes, in dem er (als Antwort auf den in manchen Medien vieldiskutierten „Naina-Tweet“) die geisteswisschenschaftliche Allgemeinbildung verteidigte, und ein längeres im „Je suis Charlie“-Geiste geschriebenes: Doch ist der Stift stärker als das Schwert...

Als Startnummer 1 wurde diesmal WOLF MORRISON gezogen. Er brachte zuerst sein Keyboard in Stellung und sang daraufhin zwei gesellschaftskritische Lieder. Das erste handelte von seinem unbequemen Kampf. Das zweite Lied (in dessen Anmoderation er auf eine ewiggestrige Veranstaltung, die auch heuer wieder demnächst in der Hofburg stattfinden wird, verwies) war ein Aufruf an die Menschen in dieser Stadt, endlich aufzuwachen.


GEORG HARLEKIN eröffnete seinen Auftritt mit einem interessanten Zitat. In einem ersten Gedicht schloss auch er sich „Je suis Charlie“ an („In Zeiten wie diesen ist es eine Challenge mit der inneren Balance“), im zweiten ging es um das Leben in der dahinflutschenden Zeit und ein absenderloses Telegramm, im dritten schließlich empfahl er, sich Boote (oder noch besser Raumschiffe) zu nehmen, und verwies auf die Meldestelle für Glücksmomente



THOMAS MAYER las von Schreibblockaden und dem Umgang damit („Werde wieder schreiben und maßlos übertreiben“ steht an seiner Tür). Früher, da gab er sich nach durchgeschriebener Nacht bis zum Nachmittag dem Schlaf der Gerechten hin, doch heute: Kein Sex, Drugs & Poesie. Und wenn heute textstrom oder fv open mic ist, dann heißt es: „Rasier dich!“  Dem folgten zwei kurze Gedichte über das, was Gott alles ist, und über Kekse und ihre Folgen.




CHRISTIAN SCHREIBMÜLLER nahm (ob zufällig oder beabsichtigt) in seinem ersten Text auf situationselastische Art und Weise indirekt Bezug auf den kleinen Zwischenfall vor Beginn der Veranstaltung. Es ging um höflich-gehobene Sprache, v.a. in der Gastronomie („Geruhen der Herr einen Cognac zu sich zu nehmen? – Cognac? Habt’s ka Ribisel in dieser g’spritzt’n Hütt’n?“). Der zweite Text handelte vom Ungustl: „Es gibt auch uncharmante Weaner“.

wALTEREGOn beendete die erste Hälfte mit Tagebuch-Einträgen von vor seinem Coming-out als Musiker. Da wurde er nach 25 Jahren zum Direktor der ............ (dem Autor dieser Zeilen war es unmöglich, diesen sagenhaft langen englischen Ausdruck mitzuschreiben) befördert und bezog daraufhin sein eigenes Büro mit einem Zwölfender und neuem Schreibtisch (Buche Vollholz: flexible portable desktop), wo er Frau Renate kennenlernte und Mamas Kaisersemmel mit Extrawurst aß.

Nach der...

...PAUSE...

..fungierte MELAMAR als Eisbrecherin #2. Auch ihre beiden (wenngleich bereits älteren) Texte hatte sie aufgrund der aktuellen Ereignisse ausgewählt: Der erste handelte von der von ihrem Ehemann getöteten afghanischen Autorin Nadia Anjuman („Einer war’s und viele – im Namen falscher Ehre (...) Es leben deine Lieder weiter – hast nicht umsonst gekämpft“), der zweite („God ist the mother oft the universe“) setzte sich u.a. kritisch mit der westlichen Welt und ihrem Selbstbild auseinander.

Erstmals dabei war PHILIPPA. Auf den Tag genau vor 10 Jahren ging sie mit ihrer besten Freundin in der Schul-Mittagspause chinesisch essen – und heute am Jahrestag wieder, wo sie auf Servietten Briefe an sich selbst in 10 Jahren schrieben. Philippa las beide vor. In ihrem eigenen erwähnte sie ihr „urgeiles Sushi“, dachte an Momo und die Kostbarkeit von Stunden, an Liebeskummer und fragte sich, wie die Welt in 10 Jahren aussieht („Ist Sebastian Kurz Bundeskanzler geworden?“), während ihre Freundin u.a. von Hobbies, die noch nicht existiert haben, schrieb.

STEFAN PETER brachte einen Fortsetzungstext zu seiner legendären „Selbstmordberatung Toni“ mit dem Titel „Leichenkraft“: Da es in Wien morbides Vitalitätsdenken gibt und Toni eine 80%ige Erfolgsquote hatte, werden nun neben einer ganzen Merchandising-Produktpalette geleitete Gruppen für negatives Denken (ND) gegründet, in denen (nach einer Einführung mit Friedhofsbildern, Pantomime und Affirmationswunschrunde) u.a. bekannte Kinderlieder mit morbiden Texten versehen werden.


GERHARD schloss zuerst an Thomas Mayers Gedicht über Gott an und erzählte ebenfalls, was er alles ist. Der zweite Text war ein Glaubensbekenntnis: „Ich glaube ans Geld, das Zahlungsmittel, das allmächtige, empfangen durch den heiligen Buchungssatz, geboren in der Druckerpresse...“, dem er noch einen kurzen Vortrag über diverse Sprüche auf Banknoten folgen ließ, die ihn ans DKT-Geld erinnern würden, und endete mit dem Satz: „Mit Schuld wird man nicht glücklich“.



Nicht die Bühne, sondern stattdessen die auf sie führenden Stufen (welche er als Sitz für seinen Auftritt wählte) erklomm MIKE HOFER mit seiner Gitarre. Er fragte, seine philosophischen Fragen auf dieser begleitend, was denn wichtig sei und was nicht. „Gibt’s irgendwas, was wichtig is? Oder ned?“. „Dermaßen besoffen“ folgte – mit der laut eigener Meinung „falschen“ Gitarre – dann noch ein Blues.


ANGELA machte auf die von ihr organisierte „Lange Nacht der Kunst gegen Gewalt & Missbrauch“ am 16.2. aufmerksam (bei welcher auch einige der heute Auftretenden mitmachen werden). Der erste Text befasste sich auch klar mit diesem Thema und handelte (aus der Sicht eines Kindes geschrieben) von einem jahrelang gewalttätigen Stiefvater, von dem die Mutter genauso schwärmte wie andererseits von antiautoritärer Erziehung  -> „In der Pubertät erkannte ich die Chance und floh“. Ein zweiter Text behandelte 4 Versuche, ein Liebesgedicht zu schreiben, die alle nicht klappten, da die Gedichte u.a. zu politisch oder zu chemisch waren.

Den Abend beendete HARRY P. mit zwei Dialogen. Im ersten verlangt ein Restaurantgast vom Ober eine Buchstabensuppe ohne X und K („das kratzt so im Hals“), ein Schnitzel in der Form von Italien, herzförmigen Erdäpfelsalat, eine Schaumkrone von 38 mm und Senf & Kren zum Apfelstrudel. Als der zuvor kritische Kellner erfährt, wer der Gast ist, ist er sofort bereit, das Gewünschte zu bringen. Im zweiten Dialog schafft es ein betrunkener Autofahrer den ihn kontrollierenden Polizisten von einem Strafmandat abzubringen.

So ging wieder einmal ein abwechslungsreicher Abend zu Ende.

Wir bedanken uns bei WienKultur, sowie bei der Edition Das fröhliche Wohnzimmer, die uns mit Geschenkbüchern für die Teilnehmer/innen bedachten.

Wir freuen uns nun auf das große Jubiläum am 17. Februar, wenn das farce vivendi open mic 8jähriges Jubiläum feiert UND zum 50(!) Mal stattfindet!