Dienstag, 19. November 2013

Zugaben, Zugaben, Zugaben....



Es war der dritte Dienstag des Novembers, ergo war wieder FARCE VIVENDI OPEN MIC. Während am selben Abend so manche Fußballfans (jene von Frankreich, Portugal, Kroatien, Griechenland, Algerien und Ghana) die gelungene Qualifikation ihrer Teams für die nächstjährige Fußball-WM bejubeln durften, brandete auch im CELESTE Jubel über so manche Darbietung auf, die zum Teil auch in Zugabewünsche mündete. Doch alles schön der Reihe nach...

ANDI PIANKA half seine ein paar Stunden zuvor auf der MaHü-FuZo gefundene 5-Forint-Münze auch nicht. Sie fiel statt auf Zahl auf den Vogel. Das Münzpech blieb ihm also treu und so mußte er zum gefühlten 37. Mal in diesem Jahr beim FV open mic den Eisbrecher machen. Er tat es zuerst mit einer wenige Stunden zuvor geschriebenen lyrischen Antwort auf die von ihm Stunden zuvor gelesene Adventkranz-Beschreibung „Dabei werden so viele Kerzen aufgestellt, wie der Advent Tage hat“ (Originalzitat aus einer Gratiszeitung vom 19.11.2013). Dem ließ er eine weitere Antwort folgen, nämlich auf den Maya-Kalender den Müller-Kalender.

Auf den Eisbrecher folgte die von einer Glücksfee*) gezogene Startnummer 1, nämlich mit STEFAN PETER einer unserer bereits „alteingesessenen“ Stammgäste. Ohne ein Wort Spanisch zu können, sang und spielte er den Lambada (freilich, ohne ihn auch zu tanzen), den er einstmals von bolivianischen Straßenmusikern erlernt hatte. Als zweites Lied folgte eine Eigenkomposition, nämlich die Herrgottsliab. Wann du willst, kriagst es Herz von mir. Alles, was da wünschst.**)

*) Laut der überaus berühmten und anerkannten Linguistin melamar handelt es sich bei „Glücksfee“ um ein genusneutrales Nomen, welches keinen maskulinen Gegenpart à la „Glücksfähnrich“ benötigt.
**) Dem Autor dieser Zeilen sei die vielleicht nicht ganz korrekte Transkription dieser beiden dialektalen Sätze bitte verziehen.

Auch bereits ein Stammgast ist GEORG HARLEKIN. Seiner Texte waren (nicht das erste Mal) genau drei an der Zahl. Gedankenversunken lernt er ständig dazu und geht unter den Laternen. In dieser Obstschüssel da drüben, da liegt Vieles. Dann sinierte er ungeniert über Hoffnung und Unbekümmertheit. Jetzt und heute sind wir Leute. Du bist das Resultat eines göttlichen Gedankens – Wow, echt? Im dritten Text durften wir dann unser Gewicht spüren. Aus Sternenstaub sind wir gemacht. Da öffnet sich eine Türe, nein, ein großes Tor.

Das Tor ward somit geöffnet für den dritten Auftretenden, nämlich für den erstmalig bei einem FV open mic auftretenden WALTER EGON. Er und seine Gitarre brachten zwei Songs dar. Der erste war ein „Blues for Peace“: We are searching like eagles, we are finding like dogs and cats. Und immer wieder “Give us peace!”, denn: There’s a question and an answer. Im zweiten Lied war’s der Regen, der fiel. The rain, the rain, the rain is falling down. Aber: When you smile....Shine on bright!

Die Rolle des Omega (der ersten Hälfte) und Alpha (der zweiten Hälfte) übernahm MELAMAR. Im Omega-Teil gab es Gedichte, in denen es z.B. um die Frage ging, ob eine kopflose Münze denn Metapher oder Allegorie wäre. Es folgte eine Auseinandersetzung mit automatischen Rechtschreibkorrekturen. Als nächstes eine 02:09-Uhrzeit, die als 2 Euro und 9 Cent abgelesen wurde. Daraufhin die Frage, wieso ein Text zusammenhängend und nicht sich aufhängend sein soll. Die Wendezeit hatte das Asyl als Thema. Und bei der mißglückten Liebe hieß es schlußendlich: „Du bist der Apfel, ich bin der Wurm“.

Zwischen Omega und Alpha war natürlich eine Pause nötig, um das Alphabet wieder an seinen Anfang zu drehen (und sich getränkemäßig zu versorgen). Da die Zahl der Nachanmeldungen in der Pause unterhalb des sonstigen Schnitts lag, hatten alle Auftretenden der ersten Hälfte diesmal das Glück, auch noch ein zweites Mal auf der Bühne stehen zu können. Doch zuerst kam das Alpha...

MELAMAR brachte ein ganzes Feuerwerk an Kurzgedichten. Auf den Vorsatz und den Dialog folgte die Frage, wieso sich Polizei auf Prügelei reimt. Meditation, Selbstbetrug, Talent und Vernunft waren die Themen der folgenden Texte. Der Wiederbegegnung von Finger und Flamme folgte die schlimmste aller Allergien, nämlich die Redundanzintoleranz. Mit dem synästhetischen Alltag und einer Bühnenweisheit ging es weiter. Mit Worten, die sich um Gedanken ranken. Mit der Bitte des Textes an die Autorin, ihn atmen zu lassen. Und schlußendlich mit dem verpaßten Blind Date.

Das Los zog (nein, wurde gezogen) ALICE REICHMANN, also den einzigen Pausen-Neuzugang, als Nummer 1 der zweiten Halbzeit. Direkt von einer Sitzung mit der Mama gekommen, begann sie mit einem vor 10 Jahren geschriebenen Text, der u.a. von einer Ungeduld, einer Panik, einer Nervosität, einer Unruhe handelte. 10 Jahre später wurde es „noch einmal Zeit“: Du hast so viele Gesichter. Und kurze Zeit später kam der Sturzflug in die Vogelperspektive: Sag ma afach nur ja oder na. Dei Hologramm verliert die Farb in meiner Imagination. Den Schlußpunkt ihres Auftritts bildete da Koffer von da Gitarr’ am Neubaugasse-Flohmarkt.

Nun zog das Los GEORG HARLEKIN. Es waren zwar wieder drei Texte, diesmal jedoch auswendig performt. Über die Demut: Was hab ich gemacht? Kann es sein, du bist in Abendkleidung? Dann ging es um die Garben der Narben. Vorantreiben, warten auf den Tod, ausgetrocknet sind die Flüsse in der Wiege der Verlorenheit. Der letzte Text war an den Wind gerichtet: Oh Wind, vom Leben getreten, vom Leid geliebt – was trägst du heimlich? Getrübter Augenschein. Du, der Wind, welch ein Genie!

STEFAN PETER trat beim zweiten Mal ohne Gitarre auf. Es ging in seiner Textcollage um den schönen Sigismund. Denn was war schon Woodstock (oder Wutstock?). Mir in Holzhausen heißen genauso und hob’n des jedes Jahr, z.B. den Fredi mit sei Dschingis-Khan-Kombo. Da kann die Tante am Telefon über das Akademikergsindl schimpfen (Das ist wie ein Virus, so ein Titel!), anstatt sich mit ihrer Sabine über die Promotion zu freuen. Denn sie selber konnte aufgrund von „proletaris generitis“ leider nicht studieren. Da muß die Frau Bachelor im Fernsehstudio dann die Frage beantworten, was der Sigismund dafür kann.

Auch WALTER EGON kam zu einem zweiten Auftritt. Er versuchte, das Publikum zu einem Mitmachlied zu animieren. Ein Chor und „special effects“ (ein schreiendes Baby, das legendäre Zitat „Houston, wir haben ein Problem!“ und ein engelhaftes Hallelujah wären verlangt gewesen) sollten seine Begleitung sein. Leider setzten die meisten Mitwirkenden (eher an die siebenfache Wiederholung des Refrains denkend) an der falschen Stelle ein. Nichtsdestotrotz wurde das Lied zu einem erfolgreichen Ende gebracht. Es ging übrigens um Keinen für Renate – und das von der Geburtsklinik bis zum Himmel. Das Publikum verlangte nach Zugaben, es folgten zwei englischsprachige, wovon der Satz „We bring joy“ aus der ersten sehr prägend war.

Spontan verlangten daraufhin Teile des Publikums eine Zugabe von STEFAN PETER. Diese wurde ihm natürlich gewährt. Die Selbstmordberatung Toni war am Apparat. Am anderen Ende der Leitung Menschen, die ihren Selbstmord nicht schafften (selbst ein Mafia-Pate befand sich darunter). Weil der Strick beim Erhängen gerissen war (da wäre die Stricklänge und –dicke schon von Bedeutung) und das Fenster beim Raussturzwunsch verschlossen. Und am in der Garage entzündeten Benzin verreckte bloß die Schwiegermutter. Ach, wie gut, daß es das AMS gibt, das Jobs im Callcenter der Selbstmordberatung Toni anbietet...  

Das Omega der zweiten Hälfte und somit des Abends bildete ANDI PIANKA. „Ich möchte schreiben“ war das Thema dieses sehr persönlichen und von ihm sonst sehr selten gelesenen Textes, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft behandelte. Den Abschluß bildeten einige selbst erfundene und erdichtete Bauernregeln.

Es war wieder einmal ein literarisch (und musikalisch) hochqualitativer Abend in sehr netter Stimmung und Atmosphäre. Das nächste Mal sehen wir uns hoffentlich wieder am 17. Dezember.

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