Während zur selben Zeit im Ernst-Happel-Stadion die
gegeneinander spielenden österreichischen und brasilianischen Fußballer open
air frieren mussten, konnte sich das ein paar Kilometer und Bezirke weiter
westlich stattfindende FARCE VIVENDI OPEN MIC glücklich schätzen, sich ein Dach
über dem Kopf leisten zu können. Was angesichts des novemberlichen Wetters draußen
auch sehr von Vorteil war. Und das ein wenig wackelkontaktfreudige Bühnenlicht
konnte dankenswerterweise (siehe weiter unten) gut kompensiert werden.
Es begann – wie immer – mit dem Münzorakel. Dieses (auch
wenn es jedes Mal eine andere Münze ist) lässt seit der Übersiedlung vom Celeste ins
Spektakel eine klare Vorliebe für MELAMAR als erste Eisbrecherin
erkennen. Diese eröffnete in memoriam RAINER TRAMIN (1957-2014,
Mitbegründer des Vereins farce vivendi) mit dem Gedicht „Schwarze Aspekte“ des
kürzlich verstorbenen Autors. In diesem ging um es um die verschiedenen (u.a.
auch politischen) Bedeutungen von schwarz. Dem folgten drei eigene Gedichte
melamars über missglückte Liebe, Liebeswissenschaft und die Weiterentwicklungen
von Worten.
Wie der Zufall (oder sonst eine Kraft) es so wollte, wurde THOMAS
MAYER nun zum dritten(!) Mal in Folge mit der Startnummer 1 gezogen (welche
er aber – im Unterschied zu manchen SlammerInnen – durchaus gerne hat). Einem
düsteren Text über einen Diplomaten, der um den Frieden zu erhalten, in einem
Bordell fündig wird, folgte ein zynischer über einen Tag, an dem nichts
passiert und deswegen in den Nachrichten Schreckensmeldungen erfunden werden
müssen (mitsamt dem Wetterbericht „Der Himmel ist einsturzgefährdet“) und
schließlich einer über seine Katze, die dem Autor Frühstück ans Bett (in
Gestalt einer toten Maus) bringt.
Ebenfalls drei Texte (diese Zahl ist bei ihm bereits gute
Tradition) gab es von GEORG HARLEKIN zu hören. Zunächst wurde ein weißer
Punkt in einer bunten Welt zu einem schwarzen Punkt. Doch rundum erneuert roch
er plötzlich wieder Farben und tauchte in eine noch größere bunte Welt ein. Dem
folgte als zweites Gedicht ein Schock („Knock, knock, es rockt der Schock) über
volksverblödende Gratiszeitungsenten mit einer abschließenden Danksagung an das
Buch bzw. an Oscar Wilde. Das dritte Gedicht war ein Cash-Gewäsch über
Klarsichtsklassen: Sagt einfach nein!
Wie der Zufall (an den man in so einem Moment gar nicht mehr
zu glauben vermag) es so wollte, durften genau jene drei Künstler, deren
geäußerte Hoffnung es war, möglichst früh gelost zu werden, auch als erste drei
auftreten. Als Nummer 3 WOLF MORRISON, diesmal nach einigen
Keyboard-Auftritten bei den letzten open mics wieder mit Gitarre. Im ersten
Lied hieß es „Du bist wia a Kaktus in der Wüste, der grad blüht“. Es ging u.a.
um Anpassung. Das zweite war von Ludwig Hirsch inspiriert und handelte von
einer fiktiven Beziehung mit einer reellen (vergebenen) Frau.
Ebenfalls mit Gitarre kam STEFAN PETER (dem wir
übrigens für sein mit- und angebrachtes Lämpchen danken, das angesichts kleiner
Probleme mit der Bühnenbeleuchtung eine große Hilfe war) auf die Bühne. Sein Lied
„Wie viel Hölle noch?“ war als eine Art melancholischer Kontrast zu seinem (bei
einem früheren fv open mic vorgetragenen) Selbstmordberatungssketch gedacht.
„Komm, steh auf, Wolken ziehen auf“, während das lyrische Ich des Liedes lieber
in Ruhe gelassen werden möchte. Doch es ist nichts verloren – „lerne zu
verstehen“.
Wie auch beim parallel laufenden Fußballspiel, so trennte
auch beim fv open mic die beiden Hälften eine ca. viertelstündige PAUSE.
Den zweiten Eisbrecher gab ANDI PIANKA. Nach einer
kritischen Betrachtung von Laudationes bei literarischen Preisverleihungen (bei
denen man manchmal den Eindruck gewinnt, den LaudatorInnen ginge es primär um
ihre eigenen „15 minutes of fame“) und einem von einem Einkauf in einem
skandinavischen Möbelgeschäft inspirierten Gedicht, bei dem er „fyndig“ wurde,
drehte er die Zeit ein Vierteljahrhundert zurück und las aus einem eigenen
Schulaufsatz über eine Reise ins ungarische Sopron.
Erstmals mit dabei beim fv open mic war bzw. in der Pause
spontan angemeldet hat sich SUSANNE RÖDL mit ihrem Plädoyer für den
Wiener Dialekt, das sie in Form von zwei Texten und einem Lied hielt. Im ersten
Text ging es um die Suche nach schadstofffreien Plastikflaschen, passenden
Schuhbandln oder Kopfhörerkabeln, die sich automatisch aufrollen. Der zweite
behandelte den U-Bahn-Alltag (u.a. die Blitzgneißer, die wie angewachsen bei
der Tür stehen). Ihren Auftritt beendete sie mit einer von ihr auf wienerisch
verfassten Cover-Version des Klassikers „Autumn leaves“ (Da Herbst is da, die
Blattln fall’n...).
WOLFGANG E. EIGENSINN las aus seinem mittlerweile
vergriffenen Buch „Die Archive des Eigensinns“, nämlich zuerst dessen Vorwort.
Dieses handelt vom (unberechenbaren, scheuen, undurchschaubaren) Wesen eines
Schriftstellers, welchen dubiose Personen gerne als Haustier oder Hofnarr
halten würden. Er frönt dem Exzess, durchstreift Städte & Länder, spricht
mit Hunden und ist verdreckt, während dem Journalisten eine Sorgfaltspflicht
obliegt. Dem folgte – aus demselben Buch – ein Ausschnitt aus dem Text
„Undisputed consequences / eindeutige Auswirkungen“ über die immer ewige letzte
Instanz.
Ein Stammgast beim fv open mic ist mittlerweile MIKE
HOFER, der, wie es der Zufall so wollte, wie schon im Oktober als
(zumindest scheinbar, denn es kam schlussendlich doch ein wenig anders – dazu
gleich) letzter Auftretender gezogen wurde. Sich auf seiner Gitarre begleitend,
erzählte er, der er „gar nicht ein Beziehungsmodell“ ist, von einer Frau, die
er kennt und die Interesse an ihm hat, ihm aber fast nur auf die Nerven geht,
da sie’s immer falsch macht und ihm nie zuhört. Es folgte u.a. der Satz „Liebe
kann mir auf die Nerven gehen.“
Nachdem bereits die abschließenden Worte der ModeratorInnen
gesprochen waren und diese im Begriff waren, die Bühne zu verlassen, stürmte ANGYAL
GYULA hinein, der soeben von einem Poetry Slam kam, bei welchem er den
dritten Platz belegt hatte, und begehrte, noch auftreten zu dürfen. Das wurde
ihm auch gestattet. Sein Text handelte vom Unwissen über die richtige
Aussprache des Ortes Leoben (Löben?) und zitierte dieser Stadt berühmtesten
Sohn Tschif: „In Löben leben Pöeten“. Wikipedia und seiner eigenen Blödheit
vertraue er immer, seine Stadt wäre Szigetszentmiklós (=SSM =sodomischer
Sado-Masochist). Loeben? J.Lo – eben!
„In Löben leben Pöeten“
AntwortenLöschenich dachte, da lebten pöten!
man bringe mir anstatt des gössias einen spritzwein, wenn ich mich irre, aber meinen aufzeichnungen nach fielen die worte aus des magyaren mund so, wie ich sie hier oberhalb niederschrub. abgesehen davon hat "pöeten" einen wesentlich schöneren klang als "pöten". sonst würden wir bereits in der nähe des heiligen pölten landen. zwar auch eine slamstadt (eine für den autor dieser zeilen besonders erfolgreiche noch dazu), aber mit ganz anderen vorzügen. löben liegt ja auch nicht in löbyen, sondern in der sankt eiermark. wo kämen wir da hin, wenn wir pöeten alle pöten wären...brrrr...
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